Berufsunfähigkeit
Privater Versicherungsschutz bei psychischen Krankheiten gravierend eingeschränkt
Wer seinen Lebensstandard annähernd auch dann sichern will, wenn er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, muss sich privat versichern. Die privaten Versicherungsunternehmen schränken ihre Angebote jedoch erheblich ein, wenn der Antragsteller psychisch krank war oder ist.
Eine telefonische Umfrage der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) belegt, dass Personen, die sich aktuell oder früher psychotherapeutisch behandeln ließen, keine private Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) angeboten bekommen oder gravierende Einschränkungen akzeptieren müssen. "Berufsunfähigkeit ist ein hohes gesundheitliches und finanzielles Lebensrisiko, das viel zu oft nicht ausreichend zu versichern ist und dann schnell in den wirtschaftlichen Ruin führt", stellt BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter fest. "Der Gesetzgeber muss etwas tun, um diese Versicherungslücke zu schließen."
Die BPtK-Umfrage bei 45 privaten Versicherern von Berufsunfähigkeit ergab, dass drei Unternehmen einen Vertrag ausschlossen, wenn der Antragsteller aktuell oder früher psychotherapeutisch behandelt worden war. Weitere 33 Anbieter schränkten ihre Leistungen in diesem Fall teilweise gravierend ein. Der Antragsteller muss bei diesen privaten Versicherungsunternehmen nach einer psychotherapeutischen Behandlung "Wartezeiten" bis zu fünf Jahren in Kauf nehmen, bevor er wieder das Risiko einer BU versichern kann und selbst dann sind seine Chancen auf einen Versicherungsabschluss ungewiss. Neun Anbieter von privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen gaben keine Auskunft. "Wir machen immer häufiger die Erfahrung, dass insbesondere jüngere Patienten eine Psychotherapie ablehnen oder selbst zahlen, um eine ausreichende Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zu gefährden", berichtet BPtK-Präsident Richter.
Wer sich privat für den Fall der Berufsunfähigkeit versichern will, muss sich i. d. R. einer Einzelfallprüfung der Versicherungsunternehmen unterziehen. Der Antragsteller muss meist seine Krankengeschichte der letzten fünf Jahre, häufig sogar der letzten zehn Jahre offenlegen. Unvollständige Angaben können später zum Verlust der Versicherungsleistung führen. Die Angaben aus den Antragsformularen werden auch anderen Anbietern zugänglich gemacht. Sie werden in einer zentralen Datenbank der privaten Versicherungswirtschaft ("Sonderwagnisdatei") gespeichert, auf die alle Versicherer zugreifen können.
Einige Versicherer bieten Interessenten eine BU-Versicherung an, wenn diese einem Prämienaufschlag oder einem Ausschluss einzelner Erkrankungen beim Versicherungsabschluss zustimmen. Diese "Lösungen" werfen jedoch neue Probleme auf. Die Berufsunfähigkeitsversicherung gehört generell zu den teuersten Versicherungsarten; ein zusätzlicher Prämienaufschlag wird viele Interessierten aufgrund der hohen finanziellen Belastung davon abhalten, einen Versicherungsschutz abzuschließen. Geradezu fahrlässig ist das Angebot der Versicherungen, den Versicherungsschutz dann zu übernehmen, wenn einzelne Krankheiten, wie z. B. psychische Erkrankungen, vertraglich ausgeschlossen werden. Kommt es dann aufgrund einer vorher ausgeschlossenen Erkrankung zur BU, ist der Versicherer von jeder Leistungszusage entbunden, der Versicherte steht trotz möglicherweise jahrelanger Beitragszahlungen ohne finanzielle Absicherung da.
Dabei ist das Risiko für die Versicherten hoch: Psychische Erkrankungen sind inzwischen die häufigste Ursache für eine Erwerbsunfähigkeit. Jede dritte staatliche Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird inzwischen aufgrund einer psychischen Erkrankung gezahlt. "Es ist nicht akzeptabel, dass private Versicherungen das größte Risiko für eine Berufsunfähigkeit grundsätzlich ausschließen können", kritisiert BPtK-Präsident Richter. Gegen Berufsunfähigkeit kann man sich nur privat versichern, da der Staat den gesetzlichen Schutz mit der Rentenreform 2001 stark eingeschränkt hat.
"Der Gesetzgeber sollte diese Sicherungslücke schließen und den Zugang zur BU-Versicherung krankheitsunabhängig gestalten", forderte Prof. Richter. "Wenn der Staat die Absicherung allgemeiner Lebensrisiken privatisiert, muss er gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass alle Bürger zu akzeptablen Prämien eine entsprechende Versicherung abschließen können."
Veröffentlicht am 27. November 2009