Angestellte Psychotherapeuten angemessen bezahlen
Gemeinsame Veranstaltung von BPtK und ver.di in Berlin
Psychotherapeuten müssen zukünftig in den Tarifverträgen angemessen eingruppiert und entlohnt werden. Das ist die zentrale Forderung von rund 60 Teilnehmern einer Fachtagung von Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) am 7. Dezember 2017 in Berlin. Vor beinahe zwei Jahrzehnten wurden mit dem Psychotherapeutengesetz die beiden Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten (PP) und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) geschaffen. Während im Bereich der ambulanten Versorgung die beiden neuen Berufe gesetzlich fest im SGB V und in weiteren Gesetzen verankert wurden, wurden beide Berufe erstmals mit Abschluss der neuen Entgeltordnung 2017 in einem Flächentarifvertrag mit einem speziellen Tätigkeitsmerkmal eingruppiert. Allerdings erfolgte dies systematisch nicht bei den anderen akademischen Heilberufen (Ärzte, Zahnärzte und Apotheker), sondern in der Entgeltgruppe 14 der Kategorie "Beschäftigte im Gesundheitswesen". BPtK und ver.di fordern deshalb bei den derzeitigen Tarifverhandlungen mit den Ländern, PP und KJP in die Entgeltgruppe 15 einzugruppieren. Da sie Versorgungsaufgaben wie die Fachärzte wahrnehmen, sollten sie sowohl systematisch als auch der Höhe des Entgelts nach, wie die Fachärzte eingruppiert werden.
In seinem Grußwort betonte der BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz, dass Psychotherapie inzwischen nach evidenzbasierten Leitlinien bei allen psychischen Erkrankungen allein oder in Kombination mit Pharmakotherapie grundsätzlich das Mittel der Wahl sei. Das Indikationsspektrum der Psychotherapie habe sich erheblich ausgeweitet. Außerdem verfügten Psychotherapeuten mit ihrer Approbation auch über die staatliche Heilkundeerlaubnis und übernähmen damit die Behandlungsverantwortung für ihre Patienten auch formal.
Doch diesen Fortschritten entspreche noch nicht die tarifliche Verankerung der Berufsgruppen im Krankenhaus, kritisierte Munz. Er forderte Psychotherapeuten auf, sich zu engagieren, um so eine Veränderung zu erreichen. Er wisse, wovon er spreche, da er selbst vor etwa 20 Jahren an seiner Klinik einen Betriebsrat ins Leben gerufen habe. Durch die Mitarbeit in einem Betriebsrat könnten Psychotherapeuten viel erreichen. Genauso wünsche er sich für die Zukunft eine noch engere Zusammenarbeit zwischen BPtK und ver.di. Auch bei der Reform der Psychotherapeutenausbildung stelle sich z. B. die Frage, wie für zukünftige Psychotherapeuten während ihrer Weiterbildung adäquate arbeits- und tarifrechtliche Rahmenbedingungen erreicht werden könnten.
Sylvia Bühler vom ver.di Bundesvorstand bekräftigte, dass tarifvertragliche Erfolge von Gewerkschaften unmittelbar vom Organisationsgrad der betreffenden Berufsgruppe abhingen. Gute Argumente reichten in der Regel nicht aus, Tarifverhandlungen seien immer auch Machtfragen. Nur, wenn die Arbeitgeber wüssten, dass hinter einer Forderung ein entsprechender Druck aufgebaut werden könne, sei Erfolg möglich. Die Tariflandschaft im Gesundheitswesen sei durch Ökonomisierung und Privatisierung inzwischen stark zersplittert, erläuterte Bühler. Während es früher viel mehr Flächentarifverträge gegeben habe, gebe es inzwischen über 3.000 einzelne Tarifverträge im ver.di-Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen. Die gemeinsame Fachtagung sei eine gute Gelegenheit, gemeinsame Ideen zu entwickeln, sich zu vernetzen und die Bündnisarbeit auszuweiten.
Johann Rautschka-Rücker, ehemaliger Geschäftsführer der Landespsychotherapeutenkammer Hessen, beschrieb die Situation von angestellten Psychotherapeuten im "Spannungsfeld zwischen Berufs-, Arbeits- und Sozialrecht" und die Folgen für die betriebliche Mitbestimmung. Anhand konkreter Beispiele erläuterte er, dass sich die Frage nach einer Gleichstellung mit Fachärzten nicht abstrakt beantworten ließe. Es komme immer auf die konkreten rechtlichen Regelungen im Einzelfall an. Dennoch gebe es auch den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, sodass diese Frage nicht in unterschiedlichen Rechtsgebieten ins Belieben gestellt werden könne. Er ging sodann auf die Fragen der Normhierarchien ein und erläuterte die Fragen des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Daran machte er deutlich, welchen Einfluss das Berufsrecht auf das Arbeitsverhältnis hat. So dürften Psychotherapeuten Weisungen nur von Vorgesetzten entgegennehmen, wenn diese über eine entsprechende psychotherapeutische Qualifikation verfügten.
Heike von Gradolewski-Ballin, zuständige ver.di-Bereichsleiterin Tarifpolitik im Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen, betonte, dass Tarifverträge nur ein Mindestniveau festschrieben, ein Arbeitgeber könne immer mehr zahlen, wenn es auch schwierig sei, diesen davon zu überzeugen. Deshalb beständen deutlich bessere Chancen, kollektiv Verbesserungen durch einen Tarifvertrag zu erreichen, als individuell im einzelnen Arbeitsvertrag. Der Abschluss des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst mit den Kommunen (TVöD-VKA) sei deshalb ein erster wichtiger Schritt, der zur Gleichstellung der Psychotherapeuten mit den Fachärzten führen müsse.
Heike von Gradolewski-Ballin empfahl, grundsätzlich einen Antrag auf Höhergruppierung auch in Fällen zu stellen, in denen der Arbeitgeber "freiwillig" bereits eine Vergütung in der Entgeltgruppe 14 zahle. Denn erst mit einem solchen Antrag seien die tarifrechtlichen Voraussetzungen für eine zwingende Eingruppierung in dieser Entgeltgruppe erfüllt. Es gebe sonst Konstellationen, beispielsweise bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Betriebes, in denen der Arbeitgeber seine freiwillige Leistung zurücknehmen könne. Anträge auf Höhergruppierung könnten allerdings aufgrund der neuen Entgeltordnung im Bereich des TVöD kommunal nur noch bis Jahresende gestellt werden. Bis dahin müssten die Anträge nachweisbar beim Arbeitgeber eingegangen sein. Wer bis dahin keinen Antrag stelle, habe nach dem Überleitungstarifvertrag keinen Anspruch mehr auf eine Eingruppierung als Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in die Entgeltgruppe 14.
Dr. Raphael Niebler und Dr. Harry de Maddalena berichteten, wie Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) vor einigen Jahren an vier baden-württembergischen Universitätskliniken erfolgreich eine Vergütung der praktischen Tätigkeit erreichten. Mit Flashmobs, Unterschriftensammlungen, Veranstaltungen und einer Demonstration vor der Zusammenkunft des Aufsichtsrates konnte ein Tarifvertrag durchgesetzt werden, nach dem die PiA jetzt 1.090 Euro im Monat bei einer 26-Stunden-Woche erhalten. Dieser Erfolg sei nur dadurch erreicht worden, weil Psychotherapeuten nicht allein agiert, sondern sich mit den anderen Berufsgruppen zusammengeschlossen hätten. Letztlich sei er dadurch möglich geworden, weil Pfleger und Ärzte sich mit den PiA solidarisiert hätten.
Dr. Klaus Thomsen, Sprecher der ver.di Bundesfachkommission PP/KJP und Mitglied im Ausschuss Psychotherapie in Institutionen der BPtK, hob hervor, dass Psychotherapeuten im Grundsatz politisch denken würden. Psychotherapeuten seien auch vergleichsweise gut in ver.di organisiert, zumal man bedenken müsse, dass sie auch alle Pflichtmitglieder der Landeskammern und häufig Mitglied in mehreren Fachgesellschaften seien.
In ihren Schlussworten betonten Dr. Thomsen für ver.di und Dr. Munz für die BPtK, dass sie sich zukünftig ein größeres Engagement wünschen würden. Sie bekräftigten die Absicht, dass ver.di und BPtK in Zukunft noch enger zusammenarbeiten werden und neben den aktuellen tarifrechtlichen Fragestellungen perspektivisch auch die Verankerung einer neuen psychotherapeutischen Weiterbildung nach einer Ausbildungsreform ins Auge fassen möchten. Durch den Tag führte als Moderator Dr. Heiner Vogel, Sprecher des Ausschusses Psychotherapie in Institutionen der BPtK und Mitglied in der Bundesfachkommission PP/KJP von ver.di.
Veröffentlicht am 21. Dezember 2017