Besonders schutzbedürftig - Patientenrechte in der Psychotherapie
Patienten der Psychotherapie sind besonders schutzbedürftig. "Die Beziehung zwischen Patient und Psychotherapeut ist durch eine besondere emotionale Intensität und Offenheit gekennzeichnet. Der Erfolg einer Psychotherapie hängt entscheidend vom Vertrauen in diese Beziehung ab", erklärte Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)."Gerade deshalb ist aber auch ein besonders klarer und strikter Patientenschutz notwendig." Der Patient muss sich sicher sein können, dass der Psychotherapeut die Beziehung nicht zur Befriedigung eigener Interessen und Bedürfnisse missbraucht. Ein qualifizierter Psychotherapeut lässt allerdings auch keine Zweifel an dieser professionellen Verpflichtung aufkommen und informiert Patienten über ihre Rechte, das Ziel und die voraussichtliche Dauer der Behandlung.Die Psychotherapeutenkammern sind vom Gesetzgeber damit beauftragt, die Einhaltung der beruflichen Pflichten zu kontrollieren, die die Kammern in ihren Berufsordnungen festlegen. Die Berufsordnungen definieren verbindliche Regeln und äußern sich im Unterschied zu den ärztlichen Berufsordnungen auch zum so genannten Abstinenzgebot. Verstöße dagegen können berufsrechtliche Verfahren bis hin zum Entzug der Approbation nach sich ziehen.
Die ersten Gespräche: Aufklärung und Einwilligung
Am Anfang jeder psychotherapeutischen Behandlung stehen Information und Aufklärung des Patienten. Im ersten Gespräch klärt der Psychotherapeut den Patienten grundsätzlich über seine Arbeit auf, darüber, warum er eine Behandlung für notwendig hält, wie diese Behandlung aussieht, wie lange sie voraussichtlich dauert, was sie kosten wird und welche Alternativen es gibt. "Häufig sind Patienten froh, überhaupt einen Psychotherapeuten gefunden zu haben", stellt BPtK-Präsident Rainer Richter fest. "Der Patient sollte trotzdem nicht unkritisch sein und prüfen, ob der Psychotherapeut, den er gerade kennenlernt, zu ihm passt." Eine vertrauensvolle Beziehung zum Psychotherapeuten ist für eine erfolgreiche Behandlung sehr wichtig. Bei der Entscheidung, ob ein Psychotherapeut der richtige ist, soll sich der Patient durchaus auch auf sein Gefühl verlassen.
Dem Patienten sollte klar sein, wie einzelne Behandlungsstunden ("Sitzungen") aussehen, wie erfolgreich die Behandlung sein kann, aber auch, welche Regeln gelten, wenn der Patient einen Termin absagen muss. Der Patient muss sich nicht gleich im ersten Gespräch entscheiden, ob er eine Psychotherapie beginnen möchte oder ob der Therapeut, mit dem er spricht, der richtige für ihn ist. Normalerweise übernimmt die Krankenkasse die Kosten für das erste und vier weitere Gespräche, bei der analytischen Psychotherapie für bis zu neun Gespräche. Für diese "probatorischen Sitzungen" (Probesitzungen) muss der Patient keinen Antrag an die Krankenkasse stellen. Am Ende dieser probatorischen Sitzungen entscheiden Patient und Psychotherapeut dann gemeinsam, ob sie mit der Behandlung beginnen wollen und welches Behandlungsziel sie anstreben. Wenn die Therapie von der Krankenkasse bezahlt werden soll, muss dies vor Beginn der eigentlichen Behandlung bei der Kasse beantragt werden.
Fragen und Zweifel
Der Patient sollte nie zögern, Fragen und Zweifel an der Therapie zu äußern. Wenn ein Patient über mehrere Sitzungen hinweg den Eindruck hat, nicht richtig verstanden zu werden, dann ist dies ein wichtiger Einwand, den jeder professionell arbeitende Therapeut ernst nimmt. Ein Therapeut wird auch keine Sprache benutzen, die dem Patienten fremd ist. Fachausdrücke und Fremdworte kann er verständlich erläutern. Wenn der Psychotherapeut in Rätseln spricht, sollte der Patient nachfragen.
Abstinenzgebot
Für Psychotherapeuten gilt das sog. "Abstinenzgebot". Danach dürfen Psychotherapeuten die therapeutische Vertrauensbeziehung nicht zur Befriedigung eigener Interessen, Wünsche und Bedürfnisse nutzen. Eine Verletzung des Abstinenzgebotes kann deswegen schon vorliegen, wenn der Therapeut den Patienten zum Beispiel um eine Gefälligkeit, etwa einen Botengang bittet. "Gerade weil die Grenze im Einzelfall manchmal schwer zu ziehen ist, müssen die professionellen Verpflichtungen grundsätzlich ohne Wenn und Aber eingehalten werden", stellt BPtK-Präsident Richter klar. Ein professionell arbeitender Psychotherapeut kommt dem Wunsch nach einem privaten Kontakt nicht nach. Er schreibt keine privaten Briefe an den Patienten, er verabredet sich nicht mit ihm zum Essen, er nimmt keine Geschenke an. Insbesondere ist jeder sexuelle Kontakt unzulässig. Das Abstinenzgebot erstreckt sich auch auf Personen, die dem Patienten nahe stehen und gilt auch nach Beendigung der Behandlung, bis sich der Patient aus der therapeutischen Beziehung gelöst hat, in jedem Fall aber mindestens ein Jahr nach Behandlungsende.
Übergriffe und Missbrauch
Aus der Geschichte der Psychotherapie sind bis hinein in die Gegenwart immer wieder schwerwiegende Beispiele für Missbrauch in der Psychotherapie bekannt. "Die Psychotherapeutenkammern verschließen hiervor nicht die Augen", erklärt BPtK-Präsident Rainer Richter. "Wir werden die Möglichkeiten der Berufsaufsicht, die uns vom Gesetzgeber vor wenigen Jahren gegeben wurden, nutzen." Hierzu ist es notwendig, dass sich Patienten an die Beschwerdestelle einer Psychotherapeutenkammer in den einzelnen Bundesländern wenden.
Gerade weil Verstöße gegen das Abstinenzgebot oftmals gravierend, in manchen Fällen katastrophal sind, haben Psychotherapeuten immer wieder auf dessen strikte Einhaltung gedrungen und ihm in ihrer Berufsordnung einen eigenen Paragraphen gewidmet. Der Psychotherapeut trägt die Verantwortung dafür, dass eine professionelle Distanz gewahrt bleibt und außertherapeutische Kontakte zu Patienten auf das Notwendige beschränkt werden.
Behandlungsfehler
Nicht jede Therapie ist erfolgreich: Symptome können sich verstärken oder ausweiten, unvorhersehbare Komplikationen können eintreten. Wenn eine Behandlung nicht erfolgreich ist, muss nicht zwangsläufig der Psychotherapeut schuld sein. Gleichwohl kann es zu Fehldiagnosen und Behandlungsfehlern kommen. Behandlungsfehler sind Schäden, die durch eine unsachgemäß durchgeführte Behandlung entstanden sind. Patienten können eine durchgeführte Behandlung durch eine Psychotherapeutenkammer prüfen lassen. Psychotherapeuten sind verpflichtet, die Behandlung und Beratung zu dokumentieren. Auf Verlangen ist dem Patienten Einsicht in diese Dokumentation zu gewähren.
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Veröffentlicht am 15. Dezember 2006