Qualitätssicherung der Zukunft - nützlich, effizient, bürokratiearm
Web-Bericht zum Workshop „Perspektiven der Qualitätssicherung in der Psychotherapie“ am 14. Januar 2025

Teilnehmer*innen des Workshops „Perspektiven der Qualitätssicherung in der Psychotherapie“ am 14. Januar 2025 in Berlin
Die sechsjährige Erprobung des QS-Verfahrens ambulante Psychotherapie hat zum 1. Januar 2025 in Nordrhein-Westfalen begonnen. Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Landespsychotherapeutenkammern, psychotherapeutische Berufsverbände sowie Wissenschaftsvertreter*innen haben in den vergangenen Jahren das vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) entwickelte Qualitätsmodell, die Instrumente und die Qualitätsindikatoren wiederholt und umfassend kritisiert. Um auch mögliche Perspektiven einer professionseigenen Alternative der Qualitätssicherung (QS) in den Blick zu nehmen und mit der Profession zu diskutieren, veranstaltete die BPtK am 14. Januar 2025 in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin einen Workshop zu Perspektiven der Qualitätssicherung in der Psychotherapie.
In ihrer Begrüßung ließ BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke kurz die Vorgeschichte des nun in NRW erprobten QS-Verfahrens Revue passieren. Der erste Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für die Erarbeitung einer Konzeptskizze für ein datengestütztes Qualitätssicherungsverfahren reiche über 10 Jahre zurück. Im Mai 2018 habe dann das IQTIG den Auftrag erhalten, die Skizze zu überarbeiten und ein QS-Verfahren mit einem Fokus auf die Richtlinienpsychotherapie bei Erwachsenen zu entwickeln. Mit dem Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz 2019 sei dann dem G-BA sogar gesetzlich vorgegeben worden, bis Ende 2022 ein einrichtungsübergreifendes sektorspezifisches QS-Verfahren für die ambulante Psychotherapie zu beschließen. Die Möglichkeit einer ergebnisoffenen Bearbeitung des ursprünglichen G-BA-Auftrags, auch im Zuge der Erprobung in NRW, sei damit entfallen.
Die BPtK habe das defizitäre QS-Verfahren von Beginn seiner Entwicklung an in den Gremien des G-BA und in Stellungnahmen umfassend kritisiert, so Benecke. Diese Kritik sei vom IQTIG jedoch überwiegend unberücksichtigt geblieben. Zu den verschiedenen Fragen der Qualitätssicherung in der Psychotherapie habe die BPtK seit 2018 professionsintern, unter anderem im Rahmen der Bund-Länder-AG Qualitätssicherung, intensiv diskutiert. Zunächst habe die BPtK Empfehlungen für die Dokumentation psychotherapeutischer Behandlungen erarbeitet, die 2020 vom 37. Deutschen Psychotherapeutentag beschlossen wurden. Eine Round-Table-Staffel habe sich seit 2022 mit der Frage befasst, wie ein geeigneter professionseigener QS-Ansatz als mögliche Alternative zur gesetzlich beauftragten externen Qualitätssicherung aussehen könnte. Es sei nun an der Zeit, diesen Prozess in einem größeren Kreis von Beteiligten fortzuführen und die Überlegungen in ein Gesamtkonzept zu integrieren.
QS-Verfahren ambulante Psychotherapie – Grundsätzliche Fehler und Fehlentwicklungen
Dr. Nikolaus Melcop, Vizepräsident der BPtK, legte in seinem einführenden Vortrag die gravierenden methodischen und inhaltlichen Mängel des QS-Verfahrens des IQTIG dar und erläuterte, warum der Ansatz der datengestützten Qualitätssicherung des G-BA für den Bereich der ambulanten Psychotherapie gänzlich ungeeignet sei. Die datengestützte QS sei im Krankenhausbereich für klar umschriebene Interventionen und definierte Erkrankungen entwickelt worden. Von den ambulanten Behandlungsverfahren ausgerechnet die ambulante Psychotherapie auszuwählen, sei der denkbar ungeeignetste Anwendungsfall gewesen. Die Gruppe der behandelten Patient*innen sei hinsichtlich der Erkrankungen, Diagnosen und Schweregrade sowie der Krankheitsdauer und möglicher Komorbiditäten viel zu heterogen. Auch die Behandlungsdauern seien zu verschieden – von Kurzzeittherapien mit wenigen Monaten bis hin zu Langzeittherapie über drei, vier oder mehr Jahre. Hinzu käme der Einsatz unterschiedlicher Psychotherapieverfahren, die Kombination von Einzel- und Gruppentherapie oder auch die medikamentöse Mitbehandlung oder eine zwischenzeitliche stationäre Behandlung. Ungeachtet dessen, sollen aber die Daten über alle Patient*innen aggregiert und je Praxis zu einzelnen Indikatorergebnissen zusammengefasst werden. Die Daten aus den Patientenbefragungen sollen anonymisiert und für Zwei-Jahres-Zeiträume zusammengefasst und mit großem zeitlichen Abstand an die Praxen zurückgemeldet werden. Auffällige Ergebnisse bei einzelnen Indikatoren würden dadurch diffus bleiben und könnten nicht sinnvoll interpretiert werden. Konkrete Handlungsanschlüsse für mögliche Qualitätsverbesserungen ließen sich daraus nicht ableiten, bemängelte Melcop. Diese Grundproblematik lasse sich auch nicht mit einer Weiterentwicklung des QS-Verfahrens auf Basis der geplanten Evaluation auflösen. Doch wie könnte das QS-Verfahren infolge der Erprobung in NRW vom IQTIG weiterentwickelt werden? Für die Indikatoren auf Basis der Leistungserbringerdokumentation sei aufgrund der zu erwartenden Deckeneffekte mit erheblichen Kürzungen, gegebenenfalls sogar mit einer vollständigen Streichung zu rechnen. Auch bezüglich der Indikatoren auf Basis der Patientenbefragung sei mit Kürzungen zu rechnen, so Melcop. Insbesondere mit Blick auf die Indikatoren zur therapeutischen Beziehung und zum Therapie-Outcome vermutete er jedoch, dass das IQTIG sich angesichts von Unterschieden in den Indikatorergebnissen zwischen den Praxen für deren Erhalt aussprechen werde. Hieraus könnten zwar für auffällige Praxen keine konkreten Handlungsanschlüsse abgeleitet, aber vermeintliche Qualitätsunterschiede zwischen Praxen aufgezeigt werden. Im weiteren Verlauf, so seine Prognose, könnte es bei diesem dysfunktionalen QS-Verfahren dann zu ungünstigen Anpassungsprozessen in der Versorgungspraxis kommen, die lediglich auf die Vermeidung von Auffälligkeiten abzielten. Es drohe, sich langfristig ein QS-Verfahren in der Versorgung zu verfestigen, das Qualitätssicherung lediglich suggeriere, ohne jedoch relevante Qualitätsverbesserungen anstoßen zu können. Stattdessen werde es jedoch erhebliche zusätzliche Aufwände produzieren.
Um eine Änderung des gesetzlichen Auftrags anstoßen zu können, werde es die Profession nicht bei einer reinen Kritik am QS-Verfahren belassen können. Um die Politik davon überzeugen zu können, müsse eine wissenschaftlich fundierte QS-Alternative entwickelt werden, so Melcops Plädoyer.
Feedback- und Monitoringsysteme in der psychotherapeutischen Versorgung
Prof. Dr. Wolfgang Lutz von der Universität Trier gab anschließend einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Feedback- und Monitoringsystemen in der psychotherapeutischen Versorgung. Er verwies darauf, dass sich die Forschungsfragen grundlegend gewandelt hätten. Es gehe nicht mehr darum, ob Veränderung in der Psychotherapie gemessen werden könne, sondern wie dies in optimaler Weise erfolgen könne, in welcher Frequenz und wie Psychotherapeut*innen aus den gewonnenen Informationen den größten Nutzen für die Behandlung ihrer Patient*innen ziehen könnten.
Feedback zu Behandlungsverläufen sei auch deswegen bedeutsam, weil es gemäß dem Effekt „better than average“ eine Grundtendenz gebe, dass Psychotherapeut*innen die eigene Kompetenz überschätzen und die eigene Bewertung des Therapieverlaufs weniger stark als vielfach angenommen mit dem Patientenurteil übereinstimme.
Der Forschungsstand zur Wirksamkeit von Feedback- und Monitoringsystemen in der Psychotherapie sei mittlerweile sehr robust, so Lutz. Über 50 Studien und neun Meta-Analysen hätten gezeigt, dass sich damit Behandlungsergebnisse signifikant verbessern, Therapieabbrüche reduzieren und Behandlungsressourcen besser allozieren lassen. Insbesondere Patient*innen mit einem Risiko für einen ungünstigen Verlauf würden davon profitieren. Der Einsatz von klinischen Unterstützungstools, die Hinweise zur Anpassung des therapeutischen Vorgehens beinhalten, würden diese Effekte nochmals verstärken. Wichtige moderierende Variablen für die Wirksamkeit des Ansatzes seien dabei unter anderem eine nutzerfreundliche Implementierung und die Akzeptanz seitens der Psychotherapeut*innen.
Ausgehend von ersten Ansätzen der aktiven internen Qualitätssicherung in der stationären Psychotherapie vor nunmehr 30 Jahren seien die Monitoring- und Feedbacksysteme in Deutschland kontinuierlich weiterentwickelt worden. Die jüngste Stufe sei nun die erfolgreiche Entwicklung und Implementierung von Modellen für die ambulanten Praxen in der Routineversorgung.
In der anschließenden Diskussion mit dem Plenum unterstrichen Prof. Lutz und Dr. Melcop, dass ein möglicher neuer, professionseigener QS-Ansatz die tatsächliche Qualitätsförderung in den Vordergrund stellen und individuelle und bürokratiearme Ausgestaltungen für jede Praxis ermöglichen müsste. Dies seien auch wichtige Voraussetzungen, um eine breite Akzeptanz innerhalb der Profession zu erreichen.
Qualitätssicherung in der ambulanten Psychotherapie – Erwartungen der Gesundheitspolitik
Im zweiten Teil des Workshops erläuterten die Bundestagsabgeordneten Dirk Heidenblut, (SPD) und Alexander Föhr (CDU/CSU) ihren gesundheitspolitischen Blick auf das geplante QS-Verfahren und die Anforderungen an eine gesetzliche Qualitätssicherung. Heidenblut betonte, dass der Qualitätssicherung unter Einbezug der Patientenperspektive auch im Bereich der Psychotherapie eine wichtige Rolle zukomme. Allerdings stelle die Erfassung der Qualität in der Psychotherapie eine besondere Herausforderung dar. Er räumte ein, dass der bestehende gesetzliche Auftrag zu einem QS-Verfahren für die ambulante Psychotherapie unglücklich formuliert sei. Er sehe jedoch vor dem Hintergrund der Erprobung des QS-Verfahrens gleichwohl die Chance, alternative und bessere QS-Ansätze zu prüfen und auf den Weg zu bringen. Föhr betonte in seinem Statement, dass die Qualitätssicherung in der Psychotherapie einer Modernisierung bedürfe. Maßnahmen der Qualitätssicherung, wie sie gesetzlich vorgeschrieben sind, müssten auch in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung zum Einsatz kommen. Er verstehe die Bedenken der Profession bezüglich des enormen Dokumentationsaufwands durch das QS-Verfahren, sehe aber gerade in der Erprobung die Möglichkeit, zu einem weiterentwickelten und sparsameren QS-Verfahren zu kommen.
In der anschließenden Diskussion wurde die Sinnhaftigkeit und Aussagekraft von teilweise erst mehrere Jahre nach Therapiebeginn erhobenen und einrichtungsbezogen zurückgemeldeten QS-Daten infrage gestellt, zumal die Daten nicht auf einzelne Therapien bezogen werden könnten. Fraglich sei auch, welchen Mehrwert die Veröffentlichung dieser Daten in einem Qualitätsportal für Patient*innen haben könnte. Heidenblut machte deutlich, dass er ein Mehr an Transparenz in der psychotherapeutischen Versorgung wichtig finde. Vereinfachte Modelle wie im Krankenhausbereich, denen zufolge Psychotherapeut*innen lediglich in „gut“ oder „schlecht“ kategorisiert werden, seien jedoch nicht zielführend. Sinnvoller erscheine ihm ein QS-Ansatz, der die spezifischen Wünsche und Bedarfe von psychisch erkrankten Patient*innen und das spezifische Angebot einzelner Psychotherapeut*innen abbilde. Föhr betonte, dass beim QS-Verfahren nicht Sanktionen, sondern tatsächliche Qualitätsverbesserungen im Vordergrund stehen sollten. Dies sei auch wichtig, damit ein QS-Verfahren Akzeptanz innerhalb der Profession finde.
Varianten von Feedback- und Monitoringsystemen in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland
Im Anschluss stellten fünf führende Forschungsgruppen aus dem Bereich des Routine-Outcome-Monitorings ihre spezifischen Modelle von Feedback- und Monitoringsystemen in Kurzvorträgen vor.
Dr. Matthias Volz von der Universität Kassel präsentierte das von Prof. Dr. Cord Benecke und ihm entwickelte QVA/QSP-Projekt bei Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen, welches zunächst mit einem Schwerpunkt auf den psychodynamischen Psychotherapieverfahren und der Nutzung in den Ausbildungsinstituten entwickelt wurde. Patient*innen und Psychotherapeut*innen füllten vor Behandlungsbeginn, im Behandlungsverlauf alle drei Monate, zum Therapieende und zur Katamnese Online-Fragebögen aus, deren Ergebnisse, automatisiert ausgewertet, individuell an die Psychotherapeut*in zurückgemeldet werden. Erfasst werden neben der Symptomatik auch die Persönlichkeitsfunktionen, interpersonelles Erleben, Lebensqualität, Aspekte wie Abwehr oder Mentalisierung sowie die therapeutische Beziehung. Für die Bewertung des Behandlungsverlaufs wird dabei das Konzept der statistischen und klinischen Signifikanz der Veränderung eingesetzt. Die generierten Befundbögen enthalten neben der grafischen Einordnung im Vergleich zu den Grenzwerten auch Hinweise zur klinischen Verwendung. Das Projekt zeichnet sich zusätzlich dadurch aus, dass begleitend auch die Instrumente des QS-Verfahrens ambulante Psychotherapie eingesetzt und dadurch unabhängig von der Evaluation des IQTIG bezüglich Reliabilität und Validität untersucht werden können. Mittlerweile nehmen bundesweit 25 Ausbildungsambulanzen und 218 Praxen mit insgesamt circa 4.500 Patient*innen an dem Projekt teil.
Im Anschluss wurden zwei verwandte Feedback- und Monitoringsysteme, die initial mit einem verhaltenstherapeutischen Schwerpunkt entwickelt wurden, präsentiert. Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier von der Universität Greifswald stellte gemeinsam mit Dr. Tim Kaiser von der Freien Universität Berlin das Greifswalder Psychotherapie Navigationssystem (GPNS) vor, das in Greifswald an der Hochschulambulanz eingesetzt wird. Unter Verwendung eines „nearest neighbour“-Konzepts, bei dem die individuellen Therapieverläufe mit einem Pool an „ähnlichsten“ Behandlungsfällen verglichen werden, erfolgt hier gegenwärtig eine multidimensionale Onlinedatenerhebung zu jeder Therapiesitzung. Dabei werden vor den Sitzungen Symptombelastung, Intersession-Prozesse und Suizidalität und nach der Sitzung die therapeutische Beziehung und Einsichten erfasst.
Dr. Anne-Katharina Deisenhofer von der Universität Trier erläuterte den Therapienavigator-Pro (TN-Pro), der speziell für psychotherapeutische Praxen, einschließlich einer Version für Praxen der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, entwickelt wurde. Hierbei handelt es sich um ein webbasiertes System, bei dem die Daten in Echtzeit ausgewertet und grafisch zurückgemeldet werden. Neben einem Kernpaket an Fragebögen können patientenindividuell geeignete störungs- und verfahrensspezifische Instrumente dazugeschaltet werden. Dabei stehen neben verhaltenstherapeutisch fundierten Messinstrumenten auch systemische und psychodynamische Instrumente zur Verfügung. Patient*innen mit einem unerwarteten beiehungsweise ungünstigen Verlauf werden dabei in einer eigenen Rubrik angezeigt, verbunden mit Empfehlungen zur Anpassung der Behandlung. Deisenhofer zufolge lasse sich dieses Monitoring- und Feedbacksystem leicht implementieren und sei sowohl für die Psychotherapeut*in als auch für die Patient*in einfach zu handhaben.
Prof. Dr. Christina Hunger-Schoppe von der Universität Witten-Herdecke führte in zwei Ansätze des Therapiemonitorings ein, die aus der Systemischen Therapie heraus entwickelt wurden. Das SYSDOK werde derzeit unter anderem in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Stefan Schmidt vom Universitätsklinikum Freiburg sowie Prof. Dr. Matthias Ochs von der Universität Fulda in einem Verbund von fünf universitären Forschungsgruppen untersucht. Webbasiert würden neben Aspekten des psychischen Funktionsniveaus, der Lebensqualität und der therapeutischen Beziehung auch das systemische Funktionsniveau erfasst und im Behandlungsverlauf alle drei Monate mit einem Feedback in Echtzeit gemessen. Der Ansatz berücksichtige die Perspektive von Patient*innen, Systemmitgliedern und Psychotherapeut*innen und werde im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter angewendet. Außerdem stellte Hunger-Schoppe das Synergistische Navigationssystem (SNS) vor, das unter Leitung von Prof. Dr. Günter Schiepek von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg entwickelt wurde und seit 20 Jahren unter anderem für feedbackgestützte Psychotherapieprozesse in Kliniken und Praxen mit inzwischen über 2.500 Patient*innen pro Jahr eingesetzt werde. Hierbei werden vor dem Hintergrund einer ideografischen Systemmodellierung für das Routine Outcome Monitoring personalisierte Fragebögen generiert, die für ein hochfrequentes Therapiemonitoring beliebiger Taktung eingesetzt werden.
Prof. Dr. Tina In-Albon von der Universität Mannheim erläuterte am Beispiel des universitären Verbundprojekts KODAP einen Ansatz aus der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Hierbei sei über die Implementierung eines Kerndatensatzes in 16 Mitgliedsambulanzen für Kinder und Jugendliche eine gemeinsame Basis für die Evaluation von psychotherapeutischen Behandlungen geschaffen worden. Im Rahmen der Entwicklungen der Deutschen Zentren für Psychische Gesundheit sei geplant, eine gemeinsame Infrastruktur für die Psychotherapieforschung zu schaffen, in die auch ROM-Instrumente eingepflegt werden sollen und die perspektivisch für die Qualitätssicherung in der Routineversorgung genutzt werden könnte.
Professionseigener Qualitätssicherungsansatz in der Psychotherapie – Kernelemente und normative Anforderungen
Warum es erforderlich ist, einen professionseigenen Ansatz der Qualitätssicherung zu entwickeln, erläuterte Cornelia Metge, Vorstandsmitglied der BPtK, in ihrem Vortrag. Mit Blick auf die konkreten Instrumente, aber insbesondere auch auf den Erhebungszeitpunkt und die Anonymisierung und Aggregation der Daten sei das QS-Verfahren nach der DeQS-Richtlinie grundsätzlich ungeeignet. Es erlaube weder eine Nutzung der Daten für eine spezifische Anpassung laufender Therapien noch für gezielte Qualitätsverbesserungen in den Therapieprozessen. Es werde stattdessen insbesondere bei der Patientenbefragung zahlreiche rechnerische Auffälligkeiten produzieren, die nicht interpretierbar sind. Der Fokus des Verfahrens liege auf Kontrolle statt Qualitätsförderung und ziele auf eine ungefilterte Veröffentlichung der Daten im geplanten Qualitätsportal des G-BA ab. Es sei unrealistisch, so Metge, dass das mit der Evaluation beauftragte IQTIG die Eignung seines eigenen Ansatzes infrage stellen werde. Dies zeigten auch die bisherigen Erfahrungen mit QS-Verfahren bei somatischen Indikationen. Diese Verfahren würden auch bei erheblichen Schwächen und Problemen nicht abgeschafft, sondern allenfalls um einzelne Indikatoren reduziert. Und bei den Patientenbefragungen, die für das QS-Verfahren ambulante Psychotherapie den Schwerpunkt bildeten, stehe man erst am Anfang der Entwicklung. Im Ergebnis sei nicht davon auszugehen, dass über eine Evaluation des QS-Verfahrens das bundesweite Ausrollen nach der Erprobung verhindert werden könne. Vielmehr sei zu erwarten, dass sich der Schwerpunkt der datengestützten QS weiter in Richtung Transparenz und einrichtungsvergleichende Veröffentlichung von Daten verlagere und die Frage, welche konkreten Handlungsanschlüsse sich für die einzelnen Praxen im Sinne gezielter Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung ergeben, in den Hintergrund trete.
Diese Prognose lasse sich auch am Beispiel des QS-Verfahrens Perkutane Koronarinterventionen (PCI) veranschaulichen, zu dem erste Ergebnisse aus der Patientenbefragung vorliegen. Analysen der LAG Hessen zeigten, dass sich die rechnerischen Auffälligkeiten mit Einführung der Qualitätsindikatoren der Patientenbefragung vervierfacht haben. Knapp drei Viertel aller Leistungserbringer*innen seien auffällig gewesen. Die Durchführung von Stellungnahmeverfahren bei jeder Auffälligkeit sei daher gar nicht darstellbar. Das gelte für die ambulante Psychotherapie mit über 30.000 psychotherapeutischen Praxen und 18 Qualitätsindikatoren umso mehr. Die Veröffentlichung der Daten – nach den Plänen des IQTIG über eine weitere Aggregation der Qualitätsindikatoren zu Gesamt-Indices – sei insoweit eine mögliche Antwort auf die drohende Überforderung in den LAG und deren Fachkommissionen durch die zu erwartende hohe Anzahl an rechnerischen Auffälligkeiten.
Im Rahmen der DeQS-Richtlinie werde es daher keine akzeptable Qualitätssicherung für die ambulante Psychotherapie geben können, betonte Metge. Das Ziel müsse daher sein, auf die Streichung des gesetzlichen Auftrags hinzuwirken. Hierbei werde man aber nur erfolgreich sein, wenn die Psychotherapeutenschaft auch eine überzeugende Alternative anbiete, die verbindlich für alle niedergelassenen Psychotherapeut*innen eingeführt werden könne. Es brauche daher eine zukunftsfähige Qualitätssicherung, die einen unmittelbaren Nutzen für die Behandlung bringe und künftige Entwicklungen und Anforderungen in der psychotherapeutischen Versorgung schon mitdenke.
Ein professionseigener QS-Ansatz sollte daher auf der Grundlage der wissenschaftlichen Evidenz entwickelt werden. Es sollte für unterschiedliche Praxistypen, Patientengruppen und Behandlungsverfahren anwendbar sein und Verbesserungen insbesondere auch für die einzelnen Behandlungen ermöglichen. Die einzelnen Psychotherapeut*innen sollten aber auch Erkenntnisse zu übergreifenden Prozessen, die in einer Praxis verbessert werden können, gewinnen. Zudem sollten individuelle Ausgestaltungsmöglichkeiten und eine optimierte Nutzung für den Einzelfall gewährleistet sein. Ein starres „one fits all“, das einheitlich in allen Praxen eingeführt wird, könne diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Unverzichtbar sei dabei auch der systematische Einbezug der Patientenperspektive. Eine systematische und vergleichbare Form der Implementierung eines solchen QS-Ansatzes werde schließlich auch die Darlegungsfähigkeit der Qualität in der psychotherapeutischen Versorgung stärken.
Der Monitoring- und Feedbackansatz erfülle exakt diese Anforderungen, so Metge. Er sei nicht nur wissenschaftlich gut belegt, sondern würde auch zunehmend in der ambulanten Routinepraxis erfolgreich angewandt. Das Credo dabei sei: ein QS-Ansatz, aber verschiedene konkrete Modelle. Derartige Modelle existierten in Deutschland bereits in einer Breite und Variabilität, dass es für alle vier Richtlinienverfahren geeignete Varianten gebe und diese zugleich zum Beispiel nach Behandlungsschwerpunkt einer Praxis weiter angepasst werden könnten. Erforderlich werde dabei sein, Kriterien für konkrete Modelle eines Monitoring- und Feedbackansatzes zu definieren, die jeweils erfüllt sein müssten. Das beziehe sich zum Beispiel auf die individualisierte Verlaufsmessung, die Verwendung valider und verlässlicher Messinstrumente, die Erfassung einer gewissen Breite an Bereichen und Dimensionen, aber auch auf ein angemessenes Aufwand-Nutzen-Verhältnis.
Abschließend skizzierte Metge eine Roadmap, wie der professionseigene QS-Ansatz entwickelt und weiter konkretisiert werden sollte. Zudem bedürfe es eines konkreten Vorschlags, wie der professionseigene QS-Ansatz im SGB V geregelt und die erforderliche Verbindlichkeit entfaltet werden kann. Dies sei entscheidend, wenn man die Politik überzeugen wolle, korrigierend in den laufenden Entwicklungsprozess einzugreifen und auf gesetzlicher Ebene die Weichen für einen neuen, zukunftsweisenden Ansatz der QS in der Psychotherapie zu stellen.
Abschlussdiskussion im Plenum
Den Abschluss des Workshops bildete eine Diskussion, in der es insbesondere um die Implikationen ging, die die Einführung von Feedback- und Monitoringsystemen in die ambulante Versorgung mit sich bringen und wie professionsseitig die Evaluation des gesetzlich beauftragten QS-Verfahrens begleitet oder mitgestaltet werden könnte.
Einige Diskutant*innen betonten, dass es keinen idealtypischen Verlauf einer Psychotherapie gebe und aus den Daten nicht direkt die jeweilige Qualität der Behandlung abgeleitet werden könne. Auffälligkeitssignale in der Anwendung von Monitoring- und Feedbacksystemen sollten von Psychotherapeut*innen daher stets mit Blick auf den individuellen Behandlungsfall eingeschätzt werden. Hinweise zur Anpassung des therapeutischen Vorgehens müssten dabei nicht strikt umgesetzt werden, erforderlich sei aber, sich mit den Hinweisen und Empfehlungen zu befassen, von denen aber auch abgewichen werden könne. Angeregt wurde ferner, bei der Entwicklung eines professionseigenen QS-Ansatzes auch den stationären Versorgungsbereich und gegebenenfalls vorhandene Schnittstellen mitzudenken, um sektorenübergreifend Behandlungsverläufe abbilden zu können.
Kontrovers diskutiert wurde die Frage, inwieweit angesichts der bisherigen Entwicklungen im G-BA eine Änderung des gesetzlichen Auftrags noch erreichbar sei. Lutz hob hervor, dass die Umsetzung eines professionseigenen QS-Ansatzes eine Datengrundlage dafür schaffen würde, zumindest langfristig die Politik mit stichhaltigen Argumenten für einen alternativen Ansatz gewinnen zu können, selbst wenn initial eine Streichung des gesetzlichen Auftrags nicht erreicht werden sollte. Hinsichtlich der vorgesehenen Evaluation des IQTIG-Verfahrens sprachen sich einzelne Diskussionsteilnehmer*innen dafür aus, diese nicht allein dem IQTIG zu überlassen. Zugleich wurde zu bedenken gegeben, dass eine vornehmliche Fokussierung auf eine gegebenenfalls unabhängige zusätzliche Evaluation des QS-Verfahrens zur Folge hätte, dass Ergebnisse aus einem solchen Projekt möglicherweise erst ab 2030 vorlägen und damit zu spät kämen, um in der kommenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestages gegenüber der Politik die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung begründen zu können. Auch könne eine Evaluation des aktuellen QS-Verfahrens keinen relevanten Beitrag für die Entwicklung und Begründung eines alternativen professionseigenen QS-Ansatzes leisten.
In ihren Schlussworten erläuterte die BPtK-Präsidentin ihre Prognose, dass die geplante Evaluation der sechsjährigen Erprobung des QS-Verfahrens ambulante Psychotherapie trotz der unverkennbaren Schwächen nicht zu einer Abschaffung des QS-Verfahrens führen werde. Wahrscheinlicher sei, dass das QS-Verfahren des IQTIG gekürzt, der Dokumentationsaufwand reduziert und die Validität der verbleibenden Qualitätsindikatoren gegebenenfalls nachgebessert werde. Es drohe, so Benecke, dass ein erkennbar dysfunktionales QS-Verfahren die psychotherapeutische Versorgung für lange Zeit in negativer Weise prägen werde. Um dieses Grundproblem zu beheben, sei eine Gesetzesänderung erforderlich. Diese werde es aber nur geben, wenn die Profession der Politik eine überzeugende Alternative aufzeigen könne. Benecke warb dafür, sich jetzt auf den Weg zu machen, diese Alternative weiter zu konkretisieren, um frühzeitig in der kommenden Legislaturperiode mit dem Vorschlag eines geeigneten professionseigenen QS-Ansatzes an die neue Bundesregierung herantreten zu können.
Veröffentlicht am 06. März 2025