Reform des Psychotherapeutengesetzes in dieser Legislaturperiode
31. Deutscher Psychotherapeutentag in Berlin
Der 31. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) forderte den Deutschen Bundestag auf, die Reform des Psychotherapeutengesetzes noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. In einer intensiven Debatte befasste sich der DPT am 18. November 2017 in Berlin außerdem mit den gesellschaftlichen Veränderungen infolge der Digitalisierung und deren Konsequenzen für die psychotherapeutische Versorgung. Die Delegierten appellierten an eine künftige Bundesregierung darüber hinaus, sich für eine Verbesserung der Versorgung psychisch kranker Menschen im ambulanten, stationären und sektorenübergreifenden Bereich einzusetzen. Die Delegierten forderten schließlich nachdrücklich eine angemessene Vergütung psychotherapeutischer Leistungen.
Reform der Bedarfsplanung gesetzlich vorschreiben
Im ambulanten Bereich warten psychisch kranke Menschen insbesondere auf dem Land und im Ruhrgebiet monatelang auf einen freien Behandlungsplatz. Die langen Wartezeiten sind Folge des seit Jahren bekannten Systemversagens. GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) verhindern im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) immer wieder eine sachgerechte Reform der Bedarfsplanung.
Die Entscheidung des G-BA zum Ruhrgebiet sei ein aktueller Beleg dafür, stellte Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), im Bericht des Vorstands fest. Obwohl die Wartezeiten im Ruhrgebiet besonders lang seien, habe der G-BA entschieden, nur 85 zusätzliche Psychotherapeuten zuzulassen. Ein vom G-BA selbst in Auftrag gegebenes Gutachten hatte dargelegt, dass im Ruhrgebiet mehr als ein Drittel weniger Menschen psychotherapeutisch behandelt werden als in vergleichbaren großstädtischen Regionen. Damit Menschen im Ruhrgebiet die gleiche Chance erhalten, psychotherapeutisch behandelt zu werden, müssten demnach rund 550 Sitze zusätzlich entstehen. Der G-BA halte sich damit nicht einmal an die Berechnungen seiner Gutachter. Aus Sicht der BPtK seien sogar mindestens 700 zusätzliche Psychotherapeutenpraxen notwendig, weil auch das G-BA-Gutachten noch von den viel zu niedrigen Basiszahlen von 1999 ausgehe.
Das Versagen bei der Bedarfsplanungsreform für das Ruhrgebiet sei aus Sicht der BPtK nur ein weiteres Beispiel dafür, dass die Krankenkassen im Wettbewerb von einer kurzsichtigen Kostendämpfungspolitik geleitet würden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) hielten allerdings auch nicht dagegen. Diese seien erst für eine sachgerechte Reform der Bedarfsplanung zu gewinnen, wenn die Finanzierung der zusätzlichen Sitze geklärt sei, so Munz. Der Gesetzgeber müsse daher darüber nachdenken, wie ein zusätzlicher Bedarf an ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlungsplätzen zu finanzieren sei. Eine Differenzierung der ambulanten Versorgung sei dringend notwendig.
Der Gesetzgeber müsse seinen Auftrag an den G-BA zur Reform der psychotherapeutischen Bedarfsplanung so formulieren, dass "Verhindern und Verzögern nicht mehr greift", forderte BPtK-Präsident Munz. Dazu gehöre die Anhebung der Versorgungsdichte in ländlichen Regionen, die Gleichstellung des Ruhrgebiets mit anderen Ballungsgebieten und die Vorgaben, regional die Morbiditäts- und Sozialstruktur zu berücksichtigen. Der G-BA benötige möglichst konkrete Aufträge, damit diese innerhalb einer vorgegebenen Frist wirklich umgesetzt würden.
Terminservicestellen lösen Probleme der Bedarfsplanung nicht
Thema des DPT war auch der Beschluss des Bundesschiedsamtes Anfang November, wonach die Terminservicestellen der KVen nicht nur Termine für Sprechstunde und Akutbehandlung vermitteln müssen, sondern auch für dringende psychotherapeutische Behandlungen. Da es im ambulanten Bereich allerdings keine freien Therapieplätze gäbe, könnten Terminservicestellen auch nichts vermitteln, stellte Munz fest. Er schlug vor, die Terminservicestellen per Gesetz damit zu beauftragen, Patienten auch an psychotherapeutische Privatpraxen weiterzuleiten, wenn keine Behandlung durch einen Vertragspsychotherapeuten möglich sei. Könnten die Terminservicestellen der KVen keine freien Plätze bei Vertragspsychotherapeuten finden, sei das Systemversagen hinlänglich dokumentiert. Für Patienten Psychotherapieplätze an einem Krankenhaus zu zu suchen, werde die Versorgungsprobleme nicht flächendeckend lösen. Kurzfristig verfügten die Krankenhäuser bisher kaum über ausreichend Behandlungsplätze für eine Richtlinientherapie. Langfristig hänge es davon ab, ob sich ein solches Angebot für die Kliniken überhaupt rechne. Die Notlösung, in die Krankenhäuser zu vermitteln, untergrabe außerdem den Sicherstellungsauftrag der KVen. Dies könne nicht im Interesse der KVen und der ambulanten Versorgung liegen.
Der Umfang, in dem psychotherapeutische Behandlungen über Kostenerstattung finanziert werde, müsse endlich veröffentlicht werden, forderte eine Delegierte. An dieser Transparenz hätten die Krankenkassen jedoch kein Interesse. Es sei an der Zeit, von Krankenkassen echtes "Engagement" für psychisch kranke Menschen zu fordern. Eine Delegierte berichtete von der schwierigen Situation der Psychotherapeuten in Privatpraxen nach Inkrafttreten der neuen Psychotherapie-Richtlinie. In Berlin müssten erste Praxen bereits schließen, obwohl Patienten damit dringend benötigte Behandlungsplätze fehlten. Auch BPtK-Präsident Munz kritisierte, dass die Krankenkassen durch ihre willkürliche Bewilligungspraxis eine Behandlung per Kostenerstattung praktisch unmöglich machten. Er riet den jungen Kolleginnen und Kollegen, ihre berufliche Zukunft nicht nur in einer Privatpraxis zu sehen, sondern sich, wenn irgend möglich, weitere Standbeine zum Beispiel im institutionellen Bereich zu suchen.
Für eine Delegierte wurde mit der Entscheidung des Bundesschiedsamts zu den Terminservicestellen "eine rote Linie überschritten". Die niedergelassenen Psychotherapeuten hätten sich auf die Reform der Psychotherapie-Richtlinie und auch auf die Vermittlung von Sprechstunden und Akutbehandlung über die Terminservicestellen eingelassen. Aber bei dieser Entscheidung sei es vielleicht an der Zeit, dass Psychotherapeuten nicht mehr brav mitmachen. Dazu gab ein anderer Delegierter zu bedenken, dass ein Verfahren notwendig sei, mit dem die Patienten über freie Therapieplätze in psychotherapeutischen Praxen informiert würden. Er habe in seiner Praxis immer wieder Nachfragen, wohin sich ein Patient wenden könne, wenn er selber keinen freien Platz habe. Er würde sich hier eine Vermittlungsfunktion wünschen. Der DPT verabschiedete mit großer Mehrheit die Resolution "Terminservicestellen sind keine Lösung für unzureichende Bedarfsplanung".
Anspruch auf Psychotherapie in der stationären Versorgung sicherstellen
Im ambulanten wie im stationären Bereich gilt, dass bei vielen psychischen Erkrankungen Psychotherapie allein oder in Kombination mit Psychopharmaka das Behandlungsmittel der Wahl ist. Der G-BA arbeitet derzeit an neuen Personalanforderungen, die es den Kliniken auch ermöglichen sollen, eine leitlinienorientierte psychotherapeutische Versorgung zu erbringen. Um dem G-BA fachlich fundierte Entscheidungen zu erleichtern, schlage die BPtK vor, den Anspruch psychisch kranker Menschen auf eine psychotherapeutische Behandlung im Krankenhaus ausdrücklich im Gesetz zu verankern, erläuterte Munz. Die Landeskrankenhausgesetze von Bremen und Berlin erwähnten bereits neben ärztlichen und pflegerischen Leistungen ausdrücklich die psychotherapeutischen Leistungen.
Außerdem sollten die Kliniken mehr Spielraum erhalten, eine multiprofessionelle und teamorientierte Versorgung zu realisieren. Dazu gehört beispielsweise, dass Leitungsfunktionen auch von Psychotherapeuten übernommen werden können und nicht nur von Ärzten. Das Landeskrankenhausgesetz von Bremen sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass psychotherapeutische Organisations- oder Funktionseinheiten ohne Betten wie z. B. Tageskliniken von Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten geleitet werden können. Diese Flexibilisierung ist fachlich möglich und unter Versorgungsgesichtspunkten geboten. Die Kliniken müssen in der Lage sein, eine leitliniengerechte und qualitätsgesicherte Versorgung anzubieten. Der Bundesgesetzgeber sollte deshalb, forderte Munz, in der nächsten Legislatur allen Kliniken die überfällige Modernisierung der Organisations- und Personalstruktur ermöglichen.
Grundlagen für sektoren- und kostenträgerübergreifende Versorgung erarbeiten
Im weiteren Bericht des Vorstands erläuterte BPtK-Präsident Munz, dass es trotz jahrzehntelanger Bemühungen bisher nicht gelungen sei, flächendeckend eine koordinierte Versorgung für Patienten mit komplexem Behandlungs- und Unterstützungsbedarf zu schaffen. Dazu gehörten besonders häufig Menschen mit Suchterkrankungen, psychotischen Erkrankungen oder schweren affektiven Störungen. Sie seien in vielen Fällen dauerhaft in ihrer gesellschaftlichen und beruflichen Teilhabe eingeschränkt und auf Leistungen der Sozial- und Eingliederungshilfe angewiesen. Patienten müssten nach wie vor zu häufig und zu lange stationär behandelt werden, weil geeignete ambulante Versorgungsangebote fehlten. Die BPtK schlage daher vor, dass der Deutsche Bundestag eine Enquête-Kommission zur "Bedarfs- und bedürfnisorientierten Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen" einrichtet. Die Enquête-Kommission sollte auf der Grundlage einer umfassenden Bestandsaufnahme und einer Analyse des Behandlungs- und Betreuungsbedarfs von psychisch kranken Menschen mit schweren Beeinträchtigungen Empfehlungen für angemessene Versorgungs-, Finanzierungs- und Vergütungsstrukturen erarbeiten. Die Frist für die Arbeit der Enquête-Kommission sollte so ausgestaltet werden, dass die entsprechenden gesetzlichen Änderungsvorschläge noch in dieser Legislaturperiode den Bundestag passieren könnten.
eHealth und Digitalisierung
"Wir stehen erst am Anfang der digitalen Revolution. Sie wird unser aller Leben mindestens so grundsätzlich verändern, wie die industrielle Revolution vor 200 Jahren", stellte BPtK-Präsident Munz eingangs des Themas eHealth und Digitalisierung fest. In welche Richtung sei jedoch unklar, als Zukunftsentwürfe seien sowohl Dystopien wie auch Utopien möglich. Bereits heute sei aber zu sehen, dass nicht nur die technischen Möglichkeiten die Zukunft prägen werden, sondern insbesondere der Umgang des Menschen mit ihnen. Es gehe darum, dafür einzutreten, dass "Menschen mehr sind als biologische Organismen, mehr sind als datenverarbeitende Algorithmen und mehr sind als überflüssiges Humankapital". Zentral sei, erklärte Munz, die Chance auf Subjektivität und Autonomie für den Einzelnen zu wahren und demokratische und zivilisatorische Standards zu erhalten. "Wenn die Dystopien nicht Wirklichkeit werden sollen, dann darf man die Zukunft nicht multinationalen Konzernen und dem Silikon Valley überlassen."
Digitale Mündigkeit
Die Frage nach der Mündigkeit von Patienten in Zeiten der Digitalisierung beleuchtete Dr. Silja Samerski vom Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft der Universität Bremen in einem Impulsvortrag. Sie thematisierte zunächst die Konsequenzen, die mit der Sammlung und automatisierten Auswertung von großen Datenmengen im Gesundheitswesen verbunden sein können. Daten würden zunehmend dazu genutzt, Vorhersagen darüber zu machen, mit welcher Wahrscheinlichkeit spezifische negative Ereignisse einträfen. Es sei zentral, dass immer noch zwischen der Wahrscheinlichkeit, dass eine Erkrankung eintritt, und einer tatsächlichen Erkrankung unterschieden werde. Dies müsse weiterhin individuell beurteilt werden und zwar im persönlichen Gespräch zwischen Psychotherapeut und Patient. "Ein Computer kann nur statistische Schlüsse ziehen, über den einzelnen Menschen weiß er nichts", stellte Samerski fest.
Digitale Mündigkeit setze vier wesentliche Aspekte voraus: informelle Selbstbestimmung, Vertraulichkeit, Transparenz und den Schutz des Subjekts. Informelle Selbstbestimmung bedeute, dass Patienten ungefähr abschätzen können, "wer was wann und bei welcher Gelegenheit" über sie wisse. Patientensouveränität beinhalte dann, selbst darüber bestimmen zu können, wer auf welche Gesundheitsdaten zugreifen könne. Die vielfältigen Möglichkeiten, Daten digital zu verarbeiten, führten zu erheblichen Sicherheitsrisiken. Die Verantwortung für Datenschutz könne jedoch nicht dem Einzelnen aufgebürdet werden, sondern sei eine gesellschaftliche Aufgabe. Überlasse man Diagnostik und Indikation in Zukunft ausschließlich automatisierten Datenauswertungen, sei der Schutz des Subjekts gefährdet. Das Internet solle, forderte Samerski, "ein Hilfsmittel bleiben und nicht das Sprechen und Zuhören ablösen".
Internet in der Psychotherapie
Munz stellte anschließend den BPtK-Standpunkt "Internet in der Psychotherapie" vor, der die Chancen der Digitalisierung für die psychotherapeutische Versorgung bewertet. Das Internet kann helfen, nach einer diagnostischen Abklärung in der Sprechstunde das Versorgungsangebot von Psychotherapeuten um den wesentlichen Aspekt der Prävention zu erweitern und zu differenzieren. Auch während einer psychotherapeutischen Behandlung können Internetprogramme und Apps eine wichtige Unterstützung bieten. Außerdem gibt es Patienten, für die eine psychotherapeutische Behandlung dringend erforderlich ist, für die das regelmäßige Aufsuchen einer psychotherapeutischen Praxis, z. B. aufgrund einer schweren körperlichen Erkrankung, jedoch kaum möglich ist. Hier kann die Kommunikation per Video die psychotherapeutische Versorgung verbessern.
"Grundlage für jede psychotherapeutische Behandlung ist eine fachgerechte Diagnostik und Indikationsstellung", betonte Munz. "Dafür ist ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht unerlässlich." Aufklärung und Einwilligung in die Behandlung erforderten grundsätzlich einen unmittelbaren Kontakt des Psychotherapeuten mit dem Patienten. E-Mail-Kommunikation und Video-Telefonate seien auf dem technisch höchsten Standard zu verschlüsseln und vor Ausspähen und Abfangen von Daten zu schützen, wenn sie in einer psychotherapeutischen Behandlung eingesetzt werden sollen. Das sei eine wichtige Voraussetzung für die notwendige Vertraulichkeit.
Damit eine erfolgreiche Integration von digitalen Produkten in die Psychotherapie gelingen könne und Patienten ausreichend geschützt werden, müsse die Politik die Voraussetzungen dafür schaffen. Dabei ginge es um drei wesentliche Aspekte: die Qualität der Produkte, die Sicherstellung des Datenschutzes und die Verfügbarkeit der Produkte, die die Anforderungen erfüllen, für alle Versicherten. Um dies zu erreichen, könne z. B. eine neue Produktgruppe im Hilfsmittelverzeichnis geschaffen werden, die vorgibt, welche Nachweise erbracht werden müssen. Psychotherapeuten sollten die Programme verordnen können und die Kosten für die Nutzung müssten von den Krankenkassen übernommen werden.
Psychotherapeuten, die an einer Behandlung mit Internetprogrammen interessiert sind, finden in den Berufsordnungen ihrer Kammern die Vorgaben, welche Anforderungen sie beachten müssen, wenn sie Internetprogramme nutzen, stellte Munz fest. Die BPtK habe eine Kommission mit Vertretern der Landespsychotherapeutenkammern einberufen, um im Hinblick auf die Berufsordnungen zu diskutieren, inwieweit hier Bedarf für Weiterentwicklungen und Angleichungen besteht.
Zur Frage der Positionierung der BPtK zur Telematikinfrastruktur verwies Vizepräsident Peter Lehndorfer auf die bereits verabschiedeten Resolutionen der Deutschen Psychotherapeutentage. Diese seien in ihren Forderungen nach wie vor aktuell und für den Vorstand handlungsleitend. Der Vorstand sehe sich in besonderem Maße verpflichtet, sich für die Wahrung der Patientensouveränität und die Sicherheit der Patientendaten einzusetzen.
Reform der Psychotherapeutenausbildung - Arbeitsentwurf des BMG
Vizepräsident Dr. Nikolaus Melcop erläuterte die Inhalte des vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorgelegten Arbeitsentwurfs zur Reform des Psychotherapeutengesetzes und die dazu von der BPtK in enger Abstimmung mit den Landespsychotherapeutenkammern und unter Berücksichtigung von Bewertungen der Verbände entwickelte Stellungnahme.
Grundsätzlich begrüße der Vorstand, dass der Arbeitsentwurf darauf abziele, die postgraduale Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten (PP) bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) durch ein Approbationsstudium (Bachelor- und Masterstudium) mit anschließender Weiterbildung abzulösen. Der Entwurf führe, wie von der Profession gefordert, die Berufe PP und KJP zu einem Beruf zusammen. Bei den Ausbildungszielen greife das BMG die Breite des heutigen psychotherapeutischen Berufsbildes umfassend auf und schaffe gesetzliche Grundlagen für weitere Aufgaben und Befugnisse.
Offen lasse der Arbeitsentwurf die zukünftige Berufsbezeichnung. Es fehle ferner eine ausreichend detaillierte Darstellung der theoretischen und praktischen Studieninhalte über eine Approbationsordnung sowie möglicher Quereinstiege aus anderen Studiengängen. Von besonderer Bedeutung seien aber insbesondere die sozialrechtlichen Regelungen zur Weiterbildung, betonte Melcop. Es gebe allerdings die Zusicherung des BMG, dass es ohne sozialrechtliche Regelungen zur Weiterbildung kein Reformgesetz geben werde.
Melcop griff insbesondere die laufende Diskussion um die Legaldefinition auf. Die BPtK habe sich bei ihrer Positionierung davon leiten lassen, dass die Legaldefinition die Reichweite der Heilkundeerlaubnis für künftige Psychotherapeuten festlege. Nicht tangiert seien von der jetzigen oder einer künftigen Legaldefinition und ihren Einschränkungen Ärzte oder Heilpraktiker. Außerdem stellte er klar, dass die Legaldefinition keine Definition von Psychotherapie enthalte. Der geeignete Ort, um die Anliegen vieler Psychotherapeuten entweder die Grundorientierungen zu verankern oder die wissenschaftlich anerkannten Verfahren explizit zu benennen, sei § 7 des Arbeitsentwurfes, in dem die Ausbildungsziele definiert seien. Die dort vom BMG aufgeführten Ausbildungsziele griffen diese Anliegen bereits teilweise auf und bedeuteten Verbindlichkeit und Qualitätssicherung für die Aus- und Weiterbildung sowie für die Berufsausübung. Eine Selbstbeschränkung der Profession über die Legaldefinition sei absolut verzichtbar.
Zur im Arbeitsentwurf vorgesehenen Option, einen Modellstudiengang zur Pharmakotherapie einzurichten, erläuterte BPtK-Vizepräsident Melcop den Delegierten, dass dies ein neuer Vorschlag sei. Es seien jedoch noch wichtige Fragen zu klären, bevor sich die Profession fachlich fundiert zur Einrichtung von Modellstudiengängen äußern könne. Man werde sich zunächst auf einem Fachsymposium Ende Januar 2018 vertieft mit diesem Thema beschäftigen, um sich mit den Fragen der Notwendigkeit, der Machbarkeit und den möglichen Auswirkungen auf das berufliche Selbstverständnis der Psychotherapeuten zu beschäftigen.
Weiterbildung in institutionellen Bereichen
Wolfgang Schreck erläuterte für den Vorstand die Empfehlungen zur Weiterbildung in institutionellen Bereichen, die mit Unterstützung der Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS) erarbeitet worden seien. Ausgangspunkt der Überlegungen sei, dass für den medizinischen Bereich eine sehr homogene Struktur durch das SGB V und SGB VI vorgegeben werde. Leistungserbringer, Adressaten, Aufgaben und Ziele von Psychotherapie seien eindeutig definiert. Dem stehe eine große Heterogenität in institutionellen Bereichen gegenüber. Einschlägig seien nicht nur unterschiedliche Sozialgesetzbücher wie SGB II, III, VII, IX und XII, die Konzepte und der Einsatz von Psychotherapie variierten außerdem je nach Einrichtungstyp und Adressaten.
Vor diesem Hintergrund hatte FOGS differenziert die Bereiche Erziehungshilfe, Jugendhilfe, Suchthilfe, Behindertenhilfe, Wohnen und sozialpsychiatrische Dienste untersucht. Nach einem gemeinsamen Workshop mit Mitgliedern der UAG "Versorgung in institutionellen Bereichen" sei der Vorstand zu dem Ergebnis gekommen, konzeptionell daran zu arbeiten, wie eine fakultative Weiterbildung im Bereich der Erziehungsberatung etabliert werden könne. Für die weiteren Tätigkeitsfelder sei es zunächst notwendig, die Aufgaben der Psychotherapeuten und ihren Beitrag in den unterschiedlichen institutionellen Bereichen besser herauszuarbeiten und dies in Gesprächen mit den Trägern dieser Bereiche zu diskutieren. Die BPtK werde, so Schreck, auf dem nächsten DPT darüber berichten.
"Big Points" der Weiterbildung
BPtK-Präsident Munz erläuterte die zentralen Forderungen und Überlegungen der Profession zur Gestaltung der psychotherapeutischen Weiterbildung. Weiterbildungsziel sei der Erwerb der Fachkunde für Spezialisierungen im Gebiet Psychotherapie für Kinder und Jugendliche oder Psychotherapie für Erwachsene mit Vertiefung in den Psychotherapieverfahren. Zentral sei, dass ambulante und stationäre Weiterbildung als gleichwertig betrachtet würden. Deshalb seien jeweils ausreichend lange Phasen für beide Sektoren und für institutionelle Bereiche eine fakultative Weiterbildung vorzusehen.
Mit Blick auf den Nachwuchs, betonte Munz, dürfe es künftig keine finanzielle Selbstbeteiligung der Psychotherapeuten in Weiterbildung an den Kosten geben. Psychotherapeuten in Weiterbildung müssten während der gesamten Weiterbildung sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden. Für die Qualität der Weiterbildung sei die koordinierte Vermittlung von Theorie, Selbsterfahrung und angeleiteter Berufspraxis unter Supervision essenziell. Daher solle die gesamte Weiterbildung in einem Verbund aus koordinierendem Weiterbildungsinstitut und unterschiedlichen Weiterbildungsstätten erfolgen. Um die Versorgung sicherzustellen, sei es notwendig, die Kapazitäten prospektiv zu schätzen und entsprechend dieses Versorgungsbedarfs ausreichende Weiterbildungsplätze und eine angemessene Finanzierung zur Verfügung zu stellen.
Munz hob hervor, dass es bei der Finanzierung um die Schließung einer Deckungslücke gehe. Nur wenn dies gelinge, könne die Weiterbildung von Psychotherapeuten in angemessener Qualität und in notwendigem Umfang stattfinden.
In der anschließenden Diskussion gaben viele Delegierte ihrer Hoffnung Ausdruck, dass das BMG weiter an der Reform arbeite und zu Beginn dieser Legislaturperiode eine Reform vom Deutschen Bundestag beschlossen werde. Es gehe darum, die "vogelfreie" Situation der Psychotherapeuten in Ausbildung zu beenden und ein Ausbildungs- und Weiterbildungssystem aufzubauen, das den Tätigkeitsfeldern der Psychotherapeuten gerecht werde. Vor diesem Hintergrund sei es sehr zu begrüßen, dass der BMG-Arbeitsentwurf die "Essenz der Vorstellungen der Profession" bereits weitgehend abbilde. Er biete damit eine gute Grundlage für weitere Diskussion. Delegierte forderten dazu auf, sich nicht auf die von Teilen der Ärzteschaft in die Debatte eingebrachte Polarisierung einzulassen. Es gebe keine Dichotomie zwischen Psychologie und Medizin. Die Gemeinsamkeiten der psychotherapeutisch Tätigen überwögen.
Der DPT verabschiedete bei nur drei Enthaltungen die Resolution "Reform der Psychotherapeutenausbildung zügig fortsetzen".
Forderung der Psychotherapeuten in Ausbildung
Die Sprecher der Bundeskonferenz "Psychotherapeuten in Ausbildung" (PiA), Anja Hildebrand, Mechthild Leidl und Carl Henning von Plate Stralenheim, stellten ihre Sachstandserhebung zur Förderung der PiA auf Landeskammerebene vor. Dabei habe sich ein sehr heterogenes Bild der PiA-Beteiligung in den Bundesländern ergeben, vor allem auch deshalb, weil die Heilberufekammergesetze es den Psychotherapeuten in Ausbildung zum Teil nicht ermöglichen, Kammermitglieder zu werden oder bei einer freiwilligen Mitgliedschaft das aktive und passive Wahlrecht zu erhalten. Generell bemühten sich die Landeskammern um einen regelmäßigen Informationsaustausch und eine Vernetzung mit den Psychotherapeuten in Ausbildung. Wünschenswert sei, dass die Landeskammern die PiA noch stärker über die aktiven Möglichkeiten informieren. Es sei für die PiA schwierig, Kontinuität in der Interessensvertretung sicherzustellen, da es in der Natur der Sache liege, dass aus Psychotherapeuten in Ausbildung Psychotherapeuten werden. Die Unterstützung der Landeskammern sei wichtig, um das Wissen um die Rechte und Pflichten der PiA durch eine aktive Informationspolitik der Landeskammern immer wieder erneut verfügbar zu machen.
Weiterbildung Spezielle Schmerzpsychotherapie
Der DPT votierte mit großer Mehrheit dafür, dass die Kommission Zusatzqualifizierung dem nächsten DPT einen Entwurf für eine Weiterbildung im Bereich Spezielle Schmerzpsychotherapie vorlegt. Es gebe deutliche Unterschiede zwischen allgemeiner und spezieller Schmerzpsychotherapie. Für Psychotherapeuten im stationären, aber auch im niedergelassenen Bereich sei es notwendig, sich speziell für die Versorgung chronifizierter Patienten in Kooperation mit anderen Gesundheitsberufen zu qualifizieren. Eine solche Weiterbildung eröffne dem psychotherapeutischen Nachwuchs neue qualifizierte Tätigkeitsfelder, z. B. bei den Berufsgenossenschaften, aber auch durch Sonderbedarfszulassungen.
Haushalt 2018
Angela Gröber stellte als stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses die zentralen Ergebnisse der Sitzung des Finanzausschusses vor. Sie empfahl den Bundesdelegierten im Namen des Finanzausschusses, den Jahresabschluss 2016 anzunehmen und den Vorstand für dieses Haushaltsjahr zu entlasten. Für den Vorstand präsentierte Peter Lehndorfer den Delegierten den Haushaltsplan 2018, der per Stimmführerprinzip einstimmig angenommen wurde.
Resolutionen
Der DPT stimmte einstimmig ohne Gegenstimme und ohne Enthaltungen der Resolution "Angemessene Honorare für Psychotherapeuten" zu. Mit großer Mehrheit angenommen wurde auch die Resolution "Terminservicestellen sind keine Lösung für unzureichende Bedarfsplanung", die Resolution "Sprachmittlung finanzieren - Integration ermöglichen" sowie die Resolution "Reform der Psychotherapeutenausbildung zügig fortsetzen".
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Veröffentlicht am 04. Dezember 2017