Alkoholabhängigkeit
Etwa jeder siebte Erwachsene trinkt Alkohol in gesundheitlich riskanten Mengen. Damit ist Alkohol nach Nikotin das häufigste Suchtmittel in Deutschland: 1,8 Millionen Menschen sind alkoholabhängig, weitere 1,6 Millionen Menschen trinken Alkohol in schädlichen Mengen.
Alkoholabhängigkeit kommt in allen sozialen Schichten vor. Männer trinken deutlich mehr Alkohol als Frauen und erkranken deshalb auch mehr als doppelt so häufig wie Frauen an einer Abhängigkeit.
Auch Jugendliche trinken in erheblichen und oft schädlichen Mengen Alkohol. Im Alter von 17 Jahren nehmen bereits zwei von drei Jungen und zwei von fünf Mädchen regelmäßig Alkohol zu sich. Zusätzlich haben rund 2,5 Millionen Kinder alkoholabhängige Eltern. Bei Kindern aus suchtbelasteten Familien ist das Risiko, selbst süchtig zu werden, drei- bis viermal so groß wie bei anderen Kindern. Trinken Kinder und Jugendliche Alkohol, ist dies besonders problematisch, weil ihre körperliche und geistige Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. So kann durch regelmäßigen Alkoholkonsum die Entwicklung des Gehirns gestört werden.
Ursachen und Risikofaktoren
In geringer Menge wirkt Alkohol in der Regel anregend, kann helfen, Hemmungen und Ängste abzubauen, und die Kontakt- und Kommunikationsbereitschaft fördern. Bei größeren Mengen kommt es zu einer Vergiftung, die die Wahrnehmung stört und die Koordinationsfähigkeit sowie das Sprechen beeinträchtigt. Außerdem sinkt die Selbstkontrolle und Reizbarkeitsschwelle, weshalb aggressive Straftaten oft unter Alkoholeinfluss begangen werden. Bei einem sehr hohen Alkoholgehalt im Blut kann es zum Koma mit tödlichem Ausgang kommen. Bei regelmäßig hohem Konsum kommt es in praktisch allen Geweben zu Zellschädigungen, insbesondere aber in der Leber.
Eine Alkoholabhängigkeit entwickelt sich schleichend. Jeder Mensch kann durch häufigen Alkoholkonsum allmählich süchtig werden. Die folgenden Faktoren können aus riskanten Trinkgewohnheiten mit der Zeit eine Alkoholabhängigkeit werden lassen:
- Körperliche Gewöhnung: Regelmäßiger Konsum größerer Mengen führt dazu, dass sich der Körper an Alkohol gewöhnt. Dadurch müssen immer größere Mengen getrunken werden, um eine angenehme Wirkung zu erleben.
- Entzugssymptome: Wenn nicht ausreichend getrunken wird, treten Entzugserscheinungen wie Zittern, Schweißausbrüche oder Unruhe auf und verstärken das Verlangen, erneut zu trinken.
- Verstärkereffekte: Alkohol aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn. Dies führt dazu, dass sich die Motivation erhöht, wieder Alkohol zu trinken oder sich in Situationen zu begeben, in denen Alkohol getrunken wird.
- Soziale Akzeptanz: Wird im sozialen Umfeld viel getrunken und gilt ein Rausch als unbedenklich, kann dies Alkoholerkrankung fördern.
Eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur, Vererbung oder ein schweres Schicksal allein führen nicht zu einer Alkoholabhängigkeit.
Symptome
Nicht jede, die* gelegentlich oder regelmäßig Alkohol trinkt, hat eine Alkoholstörung. Entscheidend ist, ob der Alkoholkonsum schon die Gesundheit gefährdet oder bereits Schäden vorliegen. Warnsignale sind beispielsweise, wenn Menschen:
- das Gefühl haben, zu oft oder zu viel zu trinken,
- Schuldgefühle aufgrund des eigenen Alkoholkonsums haben,
- das Gefühl haben, mit dem Trinken nicht mehr aufhören zu können,
- den täglichen Anforderungen nicht mehr nachkommen können,
- jemanden unter Alkoholeinfluss verletzt haben,
- von Dritten auf das eigene Trinkverhalten angesprochen wurden oder
- Zweifel haben, ob sie unter einer Alkoholerkrankung leiden.
Beratung und frühzeitige Hilfen
Jede, die* sich unsicher ist, ob ihr Alkoholtrinken bereits seine Gesundheit gefährdet, kann sich in einer psychotherapeutischen Sprechstunde beraten lassen. In einem Gespräch, das der Schweigepflicht der Psychotherapeut*in unterliegt, können der Alkoholkonsum und die damit verbundenen Risiken besprochen werden.
Trinkt jemand zu viel, ist aber noch nicht abhängig, bietet die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut mehrere Gespräche über den Alkoholkonsum an. Dabei geht es darum zu besprechen, wann und warum Alkohol getrunken wird und wie er hilft, Spannungen abzubauen. Ebenso wird aber auch klar gemacht, wie der Alkohol es immer schwieriger macht, täglichen Anforderungen zu genügen, welche körperlichen Risiken er mit sich bringt und warum es besser sein könnte, etwas dagegen zu unternehmen. Es geht vor allem erst einmal darum, den eigenen Alkoholkonsum besser einzuschätzen.
Solche Gespräche bieten nicht nur Psychotherapeut*innen an, sondern auch Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen. Für manche ist auch die Hausärzt*in die richtige Ansprechpartner*in. Eine Ärztin oder ein Arzt kann auch die Leberwerte im Blut bestimmen lassen und überprüfen, ob bereits körperliche Schädigungen vorliegen.
Therapie
Bei einer Alkoholabhängigkeit ist eine intensivere Hilfe notwendig. In der Regel geht es dann um eine Behandlung in einer speziellen Suchtklinik. Manchmal ist aber auch eine ambulante Behandlung in einer psychotherapeutischen Praxis oder Beratungsstelle möglich.
Entzugsbehandlung: Die Behandlung beginnt mit dem körperlichen Entzug, der meist in einem Krankenhaus durchgeführt wird. Dabei wird der Alkohol abrupt abgesetzt. Dies kann zu heftigen körperlichen Reaktionen führen. Deshalb sollte ein solcher Entzug immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Wenn jedoch keine schweren körperlichen Reaktionen zu erwarten sind, ist auch eine ambulante Entzugsbehandlung möglich. Dafür sollte die Patient*in sich allerdings ausgesprochen sicher sein, dass sie den körperlich anstrengenden Entzug auch durchhält. Hilfreich ist auch, wenn Familie oder Freund*innen die Kranke* dabei unterstützen können.
Der stationäre Entzug dauert 8 bis 14 Tage. Es ist sinnvoll, sich dabei auch schon psychotherapeutisch begleiten zu lassen („qualifizierte Entzugsbehandlung“).
Entwöhnungsbehandlung: Nach dem Entzug lernt eine Patient*in, dauerhaft keinen Alkohol zu trinken (Abstinenz). Eine solche Entwöhnungsbehandlung dauert in der Regel zwischen acht Wochen und mehreren Monaten und findet in den Rehakliniken der Rentenversicherung statt.
Nachsorge: Auch nach einer Entwöhnung bleibt ein alkoholkranker Mensch noch immer gefährdet. Erfahrungsgemäß dauert es ein weiteres Jahr, bis sie oder er stabil abstinent ist. Deshalb ist es in dieser Zeit ratsam, eine Selbsthilfegruppe zu besuchen und sich auch von einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten weiter behandeln zu lassen. Das, was eine Patient*in in der Klinik gelernt hat, muss sie erst noch im Alltag anwenden lernen. Eine solche Nachsorge bieten niedergelassene Psychotherapeut*innen oder Suchtberatungsstellen an.
Heilungschancen
Eine Alkoholabhängigkeit verläuft nicht nach einem einheitlichen Muster: Manchmal verschlechtert sich die Erkrankung ständig, manchmal wechseln schwere Trinkphasen und kontrollierter Alkoholkonsum, selten gelingt es, ohne Behandlung dauerhaft auf den Alkohol zu verzichten.
Nur 10 bis 20 Prozent der Alkoholabhängigen lassen sich überhaupt professionell behandeln. In der Regel leidet eine alkoholabhängige Patient*in bereits seit 14 Jahren an dieser Erkrankung, bevor sie eine Behandlung beginnt.
Wenn eine Patient*in nach einem körperlichen Entzug nicht weiterbehandelt wird, liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall innerhalb des kommenden Jahres bei 90 Prozent. Findet anschließend eine Entwöhnungsbehandlung statt, steigen die Chancen, dass wieder ein Leben ohne Alkohol gelingt, deutlich. Zwischen 41 und 77 Prozent der Patient*innen, die in einer Rehaklinik behandelt wurden, sind auch ein Jahr danach nicht rückfällig geworden.
Literatur
- Lampert T, Thamm M (2007). Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum von Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt 50: 600 – 608.
- Lindenmeyer, J (2004): Ratgeber Alkoholabhängigkeit, Hogrefe Verlag.
- Lindenmeyer, J (2010): Lieber schlau als blau – Entstehung und Behandlung von Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit, Beltz-Verlag.
- Schneider, R (2009): Die Suchtfibel: Wie Abhängigkeit entsteht und wie man sich daraus befreit. Informationen für Betroffene, Angehörige und Interessierte, Schneider Verlag Hohengehren.
- www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsT/alkoholkonsum.html;jsessionid=C33D58D5446EC545D8A2BBF00B4876D0.2_cid372?nn=2370692.
- www.bptk.de/wp-content/uploads/2019/01/20160815_bptk-standpunkt_alkohol.pdf
- www.sucht.de/tl_files/pdf/veroeffentlichungen/Zahlen%20und%20Fakten/1_Alkohol-Daten&Fakten_2015.pdf