Schizophrenie
Schizophrenie ist eine schwere psychische Erkrankung, bei der die Patientinnen und Patienten insbesondere unter Wahnvorstellungen leiden.
Ein Wahn ist grundsätzlich nichts anderes als eine felsenfeste Überzeugung, die ein Mensch auch dann nicht aufgibt, wenn alle anderen anderer Meinung sind. Auch Menschen mit starken politischen und religiösen Überzeugungen haben manchmal Überzeugungen, von denen sie nicht abzubringen sind. Im Unterschied dazu haben Menschen mit einer schizophrenen Erkrankung jedoch Überzeugungen, an denen sie auch festhalten, wenn es unbestreitbare Beweise gibt, dass sie gar nicht stimmen können, und leiden außerdem unter weiteren Symptomen der psychischen Erkrankung. Sie leben phasenweise in einer anderen Welt. Sie hören Stimmen oder sehen Dinge, die kein anderer hört oder sieht. Häufig erleben sie sich als verfolgt oder gesteuert und haben deshalb große Angst.
Lange Zeit galt Schizophrenie als eine Erkrankung, bei der die Erkrankten eine gespaltene Persönlichkeit haben, wie zum Beispiel in der Novelle „Dr. Jekyll und Mister Hyde“. In diesem Buch verwandelt sich der gutherzige und angesehene Arzt, Dr. Jekyll, immer wieder in den bösartigen Mister Hyde. Es stellt sich heraus, dass Hyde der isolierte böse Teil von Jekylls Persönlichkeit war. Diese Erklärung von Schizophrenie (wörtlich „Spaltungsirresein“) ist jedoch falsch. Menschen, die akut unter einem Verfolgungswahn leiden, können auf ihre Mitmenschen sehr anders als gewohnt wirken. Sie haben in dieser Phase jedoch keine andere Persönlichkeit, sondern hören zum Beispiel Stimmen, durch die sie sich bedroht und verfolgt fühlen und die sie in große Angst versetzen.
Schizophrenie ist keine seltene Krankheit, sondern etwa so häufig wie chronisches Rheuma. Eine von 100 Erwachsenen* erkrankt in ihrem Leben an einer Schizophrenie. In Deutschland leiden aktuell rund 800.000 Menschen an dieser Erkrankung. Jedes Jahr erkranken daran rund 12.000 Menschen zum ersten Mal, meist im Alter zwischen der Pubertät und dem dreißigsten Lebensjahr. Männer und Frauen erkranken gleich häufig.
Schizophrenien verlaufen sehr unterschiedlich. Manche Patientinnen und Patienten erkranken nur einmal, andere chronisch mit erheblichen Einschränkungen im Alltag.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen einer schizophrenen Erkrankung sind nicht eindeutig geklärt. Es wirken mehrere Faktoren zusammen:
- genetische: Kinder, in deren Familien bereits andere schizophren erkrankt sind, erkranken deutlich häufiger selbst an dieser psychotischen Erkrankung,
- neurobiologische: Störungen der Gehirnentwicklung durch Komplikationen während oder nach der Geburt, Erkrankungen des Gehirns oder Schädigungen durch Drogen oder Alkohol erhöhen das Risiko, an einer Schizophrenie zu erkranken,
- psychosoziale: Belastende Lebensereignisse können bei einer vorhandenen genetischen oder biologischen Disposition („Verletzlichkeit“) dazu führen, dass sich eine schizophrene Erkrankung entwickelt. Dazu gehören z. B. der Verlust von Angehörigen, Prüfungen oder der Verlust des Arbeitsplatzes, andauernde Spannungen am Arbeitsplatz oder ständige Konflikte in der Familie.
- Weitere bedeutsame Risikofaktoren: Cannabis- und Amphetamingebrauch, eigene Migrationserfahrung oder in der Familie, städtisches Leben mit Lärm und Reizüberflutung, verminderte Stresstoleranz.
Symptome
Die Symptome sind sehr unterschiedlich und können sich ändern:
- Frühe Anzeichen: Schizophrene Psychosen beginnen häufig mit kleinen Veränderungen und alltäglichen Befindlichkeitsstörungen: z. B. Nervosität, Unruhe, Reizbarkeit, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, gedrückte Stimmung, Grübeln oder Vernachlässigung der persönlichen Erscheinung. Erfahrene Spezialisten sind notwendig, um eine Schizophrenie schon in einem frühen Stadium zu erkennen.
- Akute Phase: Halluzinationen, insbesondere das Hören von Stimmen, die andere nicht hören; Verfolgungswahn; das Gefühl, andere könnten die eigenen Gedanken lesen; unlogisches Denken ohne inneren Zusammenhang; Überzeugung, Gedanken würden eingegeben oder aus dem Kopf gezogen (Störung des Ich-Erlebens); depressive Stimmung, Apathie oder Gefühlsarmut, große Erregung oder starke Antriebshemmung.
Schizophrene leiden erheblich unter ihrer Erkrankung, nehmen aber häufig von sich aus keine Hilfe in Anspruch. Vermittlung und Motivation durch Andere sind meist nötig. Die Schwere der Erkrankung nimmt zu, je länger sie unbehandelt bleibt.
Diagnostik
Die Diagnostik erfolgt durch ein psychotherapeutisches oder ärztliches Gespräch.
Sie wird ergänzt um medizinische Untersuchungen mit dem Ziel, körperliche Ursachen der Erkrankung auszuschließen: z. B. Drogenscreening, Elektroenzephalographie (EEG) und Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes.
Therapie
Die Therapie besteht aus mehreren Bausteinen:
Psychopharmakotherapie
Neuroleptika beeinflussen die Übertragung von Informationen durch Botenstoffe im Gehirn. Sie verringern oder beseitigen in vielen Fällen die akuten Symptome und beugen Rückfällen vor. Die Medikamente zur Behandlung von psychotischen Erkrankungen sind in den letzten Jahren sehr verbessert worden und haben heute wesentlich weniger unerwünschte Nebenwirkungen als früher.
Psychotherapie
Eine Psychotherapie kann in allen Phasen der Erkrankung – auch der Akutphase – begonnen werden. Insbesondere kognitive Verhaltenstherapie kann wirksam helfen, die Beschwerden zu verringern, Wahnvorstellungen zu überprüfen, depressive Gefühle sowie Angst und Hilflosigkeit zu verringern, das Krankheitsverständnis und die Krankheitsakzeptanz zu fördern sowie das Rückfallrisiko zu senken.
Psychoedukation
Wichtig ist auch, dass Patient*innen und Angehörige über die Erkrankung und ihre Behandlung ausführlich informiert werden. Dadurch können sie ihre Erkrankung besser verstehen und selbstverantwortlich mit ihr umgehen.
Kognitive Remediation
Patient*innen sind in ihrer Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und ihrem Gedächtnis häufig stark eingeschränkt. Durch gezielte Trainings dieser Fähigkeiten können sie lernen, wieder besser im Alltag zurechtzukommen.
Training sozialer Fertigkeiten
Training zur Kontaktaufnahme und zum sozialen Umgang mit anderen Menschen.
Heilungschancen
Eine akute Erkrankung lässt sich meistens gut behandeln.
Etwa 20 Prozent der Patient*innen erleiden nur eine Krankheitsphase.
Etwa zwei Drittel der Patient*innen erleben mehrere Phasen, die vollständig oder teilweise wieder abklingen.
Bei 5 bis 10 Prozent der Patient*innen bleiben die Beschwerden dauerhaft. Die Erkrankung entwickelt sich chronisch, ohne abgrenzbare einzelne Krankheitsphasen.
Auch bei langjährig und ungünstig verlaufenden Psychosen kann es später noch zu einer deutlichen Verbesserung der Gesundheit und des persönlichen Wohlbefindens kommen.
Literatur
Ratgeber:
- Hahlweg K und Dose M. Ratgeber Schizophrenie – Informationen für Betroffene und Angehörige. Göttingen: Hogrefe.
- Kissling W und Pitzschel-Walz G (Hrsg.). Mit Schizophrenie leben, Informationen für Patienten und Angehörige. Alliance Psychoedukationsprogramm. Stuttgart: Schattauer.
Quelle:
DGPPN e.V.(Hrsg.) für die Leitliniengruppe: S3-Leitlinie „Schizophrenie“. Langfassung, 2019, Version 1.0, zuletzt geändert am 15. März 2019, verfügbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-009.htm.