Klimakrise und Weiterbildung
Der 41. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) tagte am 18. und 19. November 2022 in Berlin. Sein Hauptthema war die Klimakrise, „weil diese die Psychotherapeut*innen als Bürger*innen, in ihrer Berufsausübung und als Profession beschäftigen muss“, wie die Versammlungsleiterin Birgit Gorgas feststellte. Weiteres Thema war die Umsetzung der Weiterbildung, deren ausreichende Finanzierung der DPT dringend forderte.
Klimakrise
Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), stellte im Bericht des Vorstands fest, dass die Gesellschaft gegenwärtig durch Corona-Pandemie, russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, Energiekrise, Inflation und drohender Rezession im ständigen Krisenmodus lebe. „Wir fahren auf der Straße in die Klimahölle mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, zitierte Munz den UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der sich auf der zeitgleichen 27. Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh äußerst besorgt geäußert hatte. Die ständigen Krisen ließen die Angst vor Katastrophen galoppieren. Kassandrarufe aber wolle keiner hören. Kassandra besaß die Gabe, Schlimmes vorherzusagen. Bloß schlugen alle, die sie warnte, ihren Rat in den Wind. Alle Wissenschaftler*innen seien sich einig und warnten vor einer Katastrophe, aber die Menschheit wolle nicht hinhören. „Vielleicht sind wir zu sehr im Katastrophenmodus?“, fragte Munz. Es fehle an Lösungen, die von Mehrheiten getragen werden. Lösungen für komplexe Probleme seien zwangsläufig auch komplex. „Wenn wir aber für eine Politik, die komplexe Lösungen sucht und angehen will, keine Mehrheiten mehr finden, dann kommen die politischen Rattenfänger, die mit den einfachen Lösungen, die unsere jüdischen Mitbürger*innen für das eigentliche Problem halten, die queere Menschen durch die Straßen jagen, die die Flüchtlinge ertrinken und erfrieren lassen wollen“, warnte der BPtK-Präsident.
Angesichts der in Sharm El-Sheikh verhandelten Interessenkonflikte erschienen die innerstaatlichen Interessenkonflikte vergleichsweise klein. Der Globale Norden müsse sich bewegen und den Menschen im Globalen Süden helfen, mit den akuten Folgen des Klimawandels umzugehen. „Aber welcher Politiker, welche Politikerin kann in unserem Land dafür Mehrheiten schmieden? Wer müsste in unserem Land die Lasten tragen?“, fragte Munz.
Vizepräsidentin der BPtK, Dr. Andrea Benecke, verwies darauf, dass die Klimakrise auch an Psychotherapeut*innen nicht vorbeiziehe. Bei der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hätten die zuständigen Landeskammern und viele der Kolleg*innen sich mit großem Engagement dafür eingesetzt, dass die Betroffenen vor Ort psychotherapeutisch versorgt würden und ihnen akut geholfen werde. Das Ausmaß an Zerstörung sei auch für die Helfenden erschreckend und schwer auszuhalten gewesen. Vielen sei auch klar, dass dies nur der Anfang ist und fragten sich, was wohl noch auf uns alle zukomme. Die Verunsicherung dort sei mit Händen greifbar.
Prof. Dr. Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie an der Universität Koblenz-Landau, konstatierte: „Wir leben in einer Konsumgesellschaft, die klimaschonendes und
-schützendes Verhalten erschwert. Wir sind im systemischen Kontext gefangen.“ Um Veränderungen auf politischer und systemischer Ebene zu erzielen, brauche es einen Wertewandel insbesondere auch einen Wandel der vorherrschenden sozialen Normen, wirksame Führung und kollektives Handeln. Denn „kollektives Handeln“ sei der Hebel für Innovationen. Reese betonte, wie wichtig es sei, dass Menschen nicht in eine ohnmächtige Tatenlosigkeit verfielen. Dabei müsse den Menschen auf Augenhöhe begegnet und konstruktive Strategien entwickelt werden, um individuelle Ohnmacht zu überwinden.
Auch die Delegierten stellten die Notwendigkeit heraus, gemeinschaftlich aktiv zu werden. „Wir haben als Kammern keine Individualitätslösungen für diese Probleme. Wir müssen uns positionieren“, forderte ein Delegierter. „Die Psychotherapeutenschaft und auch ihre Kammern müssen sich der Klimakrise stellen“, betonte BPtK-Vizepräsident Dr. Nikolaus Melcop. Psychotherapeut*innen müssten ihre Kompetenz in die Debatte mit einbringen. Gemeinsam mit den Klimabeauftragten der Landeskammern wolle man in den Diskurs gehen mit dem Ziel, weitere Aktionsfelder der BPtK und der Landespsychotherapeutenkammern zu identifizieren und zu bearbeiten.
Der 41. DPT verabschiedete mit großer Mehrheit die Resolution „Klima- und Umweltschutz umsetzen und psychischen Gefährdungen der ökologischen Krise begegnen“: „Größte politische und gesamtgesellschaftliche Anstrengungen sind notwendig, um essenzielle natürliche Lebensgrundlagen zu erhalten und die Erderhitzung zu verlangsamen. Psychotherapeut*innen – Psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen – haben die berufsethische Verpflichtung, die psychische Gesundheit der Menschen zu erhalten, zu fördern und sich für die Erhaltung und Förderung der ökologischen und soziokulturellen Lebensgrundlagen einzusetzen.“
Die Delegierten beschlossen auch die Änderung der Entschädigungs- und Reisekostenordnung. Danach werden CO2-Belastungen bei notwendigen Flugreisen künftig kompensiert und die dafür anfallenden Kosten von der BPtK getragen.
Armut macht krank
»Armut macht körperlich und psychisch krank“, stellte BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz weiter fest. Durch Inflation und drohende Wirtschaftskrise müssten noch mehr Menschen fürchten, unter die Armutsgrenze zu fallen. Die, die bereits arm sind, hätten Angst, ihre Wohnung zu verlieren, zu frieren und noch mehr als bisher am Essen sparen zu müssen. „Armut gefährdet die gesamte Entwicklung von Kindern und Jugendlichen“, betonte Munz. „Sie schlägt sich nieder in einer schlechteren Bildung, ungesünderer Ernährung, gesellschaftlicher Ausgrenzung und vermehrten Konflikten in der Familie.“ Es müsse daher nicht wundern, dass in Familien mit wenigen sozioökonomischen Ressourcen Kinder und Jugendliche zweieinhalb Mal so häufig psychisch auffällig sind wie in Familien mit hohen sozioökonomischen Ressourcen. „Diese Kinder brauchen bessere Kindertagesstätten, bessere Schulen, mehr psychosoziale Hilfsangebote.“
Gesundheitskioske – Sozialkompetenz des Gesundheitssystems verbessern
Psychotherapeut*innen seien selbstverständlich für jeden psychisch kranken Menschen da. Aber Psychotherapie ersetze keine Sozialpolitik, die gleiche Lebenschancen schafft, und Psychotherapie ersetze keine Bildungspolitik, die gleiche Startbedingungen ermöglicht. „Die Gesundheitskompetenz des Einzelnen zu verbessern, wird nicht reichen“, erläuterte der BPtK-Präsident. „Die soziale Kompetenz des Gesundheitssystems muss verbessert werden. Medizinische Versorgung und soziale Unterstützung müssen besser verzahnt werden.“
Das Gesundheitssystem müsse besser auf die Bedürfnisse von sozial benachteiligten Menschen ausgerichtet werden. Die Bundesregierung plane deshalb Gesundheitskioske in strukturschwachen Regionen. Gesundheitskioske könnten es insbesondere in sozialen Brennpunkten lebenden Menschen erleichtern, Leistungen des Gesundheitssystems zu nutzen. Trotz ihres Potenzials sei es jedoch zu früh, Gesundheitskioske flächendeckend auszurollen. Erst brauche es Modellvorhaben, um den Aufgabenzuschnitt, die personelle Besetzung und die Kooperation mit den Kommunen zu erproben. „Meine Sorge wäre, dass ansonsten Doppelstrukturen entstehen“, meinte Munz.
Auch die Delegierten warnten vor der zunehmenden sozialen Ungleichheit im Land. Corona habe hier wie ein „Brennglas“ gewirkt und gerade sozioökonomisch benachteiligte Familien hart getroffen. Dies sei ein „systemisches Versagen“, das die Kinder besonders hart treffe. Die Delegierten verabschiedeten darum folgende Resolutionen: „Soziale Ungleichheit gefährdet psychische Gesundheit“, „Psycho-soziale Einrichtungen durch hohe Energiekosten akut gefährdet“, „Politische Verantwortung übernehmen – Kinder, Jugendliche und ihre Familien unterstützen“.
Wartezeiten in der ambulanten Psychotherapie verringern
Verschiedene Umfragen und Studien belegten seit zehn Jahren, dass psychisch kranke Menschen viel zu lange auf eine psychotherapeutische Behandlung warten müssten, kritisierte BPtK-Präsident Munz. Was dieses Warten für psychisch kranke Menschen heißt, habe er kürzlich noch einmal hautnah erfahren, als er anlässlich der Aktionswoche „Seelische Gesundheit“ direkt mit Passant*innen ins Gespräch kommen konnte. Ein Zitat: „Es ist ein Desaster. Hoffentlich gibt es bald mehr von Ihnen.“ Oder: „In meiner Seniorenresidenz haben die Bewohner*innen keine Zeit, auf einen Behandlungsplatz zu warten. Die sind nach anderthalb Jahren dann womöglich schon tot.“ Oder: „Ich habe den Krieg erlebt und die Bilder aus der Ukraine holen mich ein. Ich hätte nie gedacht, dass mich das nach so vielen Jahren so beschäftigt. Darüber mit einer Psychotherapeut*in zu sprechen, hat mir geholfen.“
Der BPtK-Präsident machte deutlich, dass es dringend einer erneuten Reform der Bedarfsplanung bedürfe. Diese solle zwei zentrale Punkte regeln. Erstens sei eine eigene Arztgruppe für Psychotherapeut*innen notwendig, die ausschließlich Kinder und Jugendliche versorge. Dies erlaube, die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen passgenauer und kleinräumiger zu organisieren. Diese Verbesserung allein reiche jedoch nicht aus, um die Wartezeiten im ländlichen Raum und in strukturschwachen Regionen substanziell zu verringern, wie es die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart habe. Dafür bedürfe es zusätzlich einer Absenkung der Verhältniszahlen um mindestens 20 Prozent. Dadurch entständen circa 1.600 zusätzliche Sitze außerhalb von Großstädten (Kreistypen 2 bis 5) sowie in der „Sonderregion“ Ruhrgebiet. Darüber hinaus würden auch zusätzliche Sitze in ostdeutschen Großstädten entstehen, die bisher im Vergleich zu westdeutschen Großstädten schlechter versorgt seien.
Daneben brauche es aber auch eine gesetzliche Regelung, die die Blockade der Kostenerstattung durch die Krankenkassen beende, forderte Munz. Dies verbessere aber in erster Linie das psychotherapeutische Angebot in Ballungszentren, da sich auf dem Land Privatpraxen in aller Regel nicht tragen. Außerdem bedürfe es mehr Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen für spezifische Notlagen wie die Corona-Pandemie oder die Flut im Ahrtal. Es dürfe aber nicht vergessen werden, dass dies sehr langwierige und aufwändige Verfahren für Psychotherapeut*innen seien.
Munz appellierte an die Delegierten, gemeinsam für eine substanzielle Verbesserung der psychotherapeutischen Bedarfsplanung in bisher besonders schlecht versorgten Regionen einzutreten. Die Psychotherapeutenschaft solle die Chance nutzen, die der Koalitionsvertrag biete. Die Absolventenzahlen machten sehr zuversichtlich, dass die neu entstehenden Niederlassungsmöglichkeiten auch genutzt werden würden.
Die Delegierten betonten die besondere Rolle des Ruhrgebiets in der Bedarfsplanung. Es gehe nicht nur um ländliche Gebiete, die schlecht versorgt seien, sondern auch um das Ruhrgebiet, das in der Bedarfsplanung benachteiligt werde und deshalb unterversorgt sei. Dies müsse mit einer erneuten Reform der Bedarfsplanung geändert werden. Grundsätzlich sei der Begriff „Wartezeit“ ein Euphemismus: „Als würde jemand auf einen Skilift warten, der einen den Berg hochzieht. Dabei wird hier jemand abgehängt.“ Es müsse deutlich werden, dass das Wort „Wartezeit“ eigentlich bedeute, dass jemand abgewiesen werde.
Der 41. DPT verabschiedete die Resolution „Mehr Psychotherapeut*innen zulassen – Bedarfsplanung reformieren“, in der die Delegierten die Bundesregierung aufforderten, noch in diesem Jahr die Reform der psychotherapeutischen Bedarfsplanung zu veranlassen.
Umsetzung der Musterweiterbildungsordnung
Finanzierung der Weiterbildung
Ein weiteres Schwerpunktthema des 41. DPT war die Finanzierung und Umsetzung der psychotherapeutischen Weiterbildung. „Wir werden die Reform der Psychotherapeutenausbildung nur mit einer ausreichenden Finanzierung der Weiterbildung vollenden können“, mahnte BPtK-Präsident Munz. Seit diesem Herbst gebe es die ersten knapp 30 Absolvent*innen und neuapprobierten Psychotherapeut*innen. Im kommenden Herbst seien es wahrscheinlich bereits rund 1.000. Daher müssten jetzt die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, damit Psychotherapeut*innen in allen Phasen der Weiterbildung ein angemessenes Gehalt erhalten können. Dieses müsse sich an den Tarifgehältern der Krankenhäuser orientieren. Bei der Bestimmung des Finanzierungsbedarfs müsse die erst nach und nach wachsende Produktivität der Psychotherapeut*innen in Weiterbildung und die gesetzliche Anforderung berücksichtigt werden, dass Gebietsweiterbildungen in hauptberuflicher Tätigkeit stattfinden. Weil Theorie, Supervision und Selbsterfahrung in der Weiterbildung zur hautberuflichen Tätigkeit gehörten, dürften die Kosten dafür nicht den Psychotherapeut*innen in Weiterbildung in Rechnung gestellt werden.
Munz wies darauf hin, dass die Profession zur Deckung des noch offenen Finanzierungsbedarfs Lösungsvorschläge entwickelt habe, die gemeinsam auf Grundlage von Rechtsexpertisen zwischen Kammern, Verbänden und Vertreter*innen des psychotherapeutischen Nachwuchses abgestimmt worden seien. Es gebe spezifische Regelungen für die Weiterbildung in Praxen und Ambulanzen. Die Förderung von Weiterbildungsstellen im Krankenhaus sei über die Stellungnahme des Bundesrates zum Krankenhaus-Pflegeentlastungsgesetz bereits Gegenstand der parlamentarischen Beratungen. „Wir können nicht starten, wenn es die Sorge vor finanziellen Defiziten gibt“, erklärte der Delegierte Günter Ruggaber aus der Sicht künftiger Weiterbildungsstätten und -institute und begrüßte die Initiative des Vorstandes zu einer konzertierten Aktion, bei der die BPtK die Koordinierung übernehmen solle. „Wir dürfen uns bei der Finanzierung von der Politik nicht auseinanderdividieren lassen“, appellierte Heike Peper, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hamburg, dabei an die Geschlossenheit der Delegierten.
Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) in kürzester Zeit
BPtK-Vorstandsmitglied Wolfgang Schreck wies auf die hohe Dynamik bei der Umsetzung der neuen Weiterbildung hin. Mehr als die Hälfe der Landespsychotherapeutenkammern habe bereits eine entsprechende Weiterbildungsordnung verabschiedet. „Im Projekt Umsetzung der MWBO mussten in kurzer Zeit und mit großem Engagement des Haupt- und Ehrenamts in Landespsychotherapeutenkammern und BPtK Entwürfe zu Muster-Richtlinien und Gegenstandskatalogen entwickelt werden, die dem DPT zu Kenntnis vorliegen“, berichtete Schreck. „Vom Beschluss der Ausbildungsreform durch den Gesetzgeber 2019 bis heute waren es nur drei Jahre bis zu den ersten Neuapprobierten, die jetzt bereits eine Weitebildungsstelle suchen.“ Dabei sei die Gebietsweiterbildung für Psychotherapeut*innen und ihre Kammern Neuland. Auf der Grundlage der Muster-Richtlinien würden im nächsten Arbeitsschritt Antragsformulare und Verwaltungsprozeduren entwickelt. Gleichzeitig wurden die Informationen für Studierende und Neuapprobierte sowie über die Anforderungen an Träger potenzieller Weiterbildungsstätten und an einer Befugnis interessierte Weiterbildungsbefugte* erstellt. Schreck wies zugleich auf die Herausforderung hin, im nächsten Schritt die Weiterbildung im institutionellen Bereich weiter voranzubringen.
Muster-Richtlinien für ein bundeseinheitliches Verwaltungshandeln
Die Details der gemeinsamen Kriterien zur Zulassung von Weiterbildungsstätten und Weiterbildungsbefugten stellte BPtK-Vorstandsmitglied Cornelia Metge den Delegierten vor. „Die Entwicklung stand unter der Maßgabe, für die kammerübergreifende Anerkennung von Weiterbildungsleistungen eine Pionierphase zu ermöglichen, in der unter Beachtung der notwendigen Qualität Erfahrungen mit der neuen Gebietsweiterbildung gesammelt werden können“, erläuterte Metge. Ein einheitliches Handeln der Verwaltungen der Landeskammern könne aber erst durch Muster-Richtlinien sichergestellt werden. Die Herausforderung sei, in der anstehenden Pionierphase Muster-Richtlinien zu schaffen, die verbindlich genug seien, um bundesweite Vergleichbarkeit zu gewährleisten, und gleichzeitig flexibel genug, um die Weiterbildung nicht durch zu unflexible und enge Vorgaben zu erschweren oder gar zu verhindern. Eine gutes Umsetzungsmonitoring und eine Evaluation sollten im nächsten Schritt dazu beitragen, die Regelungen bei Bedarf in einem lernenden System weiter zu optimieren und anzupassen. Dabei werde der Änderungsbedarf von der BPtK in einem „Themenspeicher“ gesammelt.
Muster-Richtlinie zum Logbuch
BPtK-Vizepräsidentin Dr. Andrea Benecke stellte den Entwurf der Muster-Richtlinie zum Logbuch vor. Im Logbuch seien die absolvierten Weiterbildungsanforderungen regelmäßig zu dokumentieren. „Durch die regelmäßige Dokumentation der erbrachten Weiterbildungsleistungen zusammen mit den erforderlichen Bestätigungen durch die Weiterbildungsbefugte* können Unklarheiten schnell geklärt werden. Dadurch werden spätere Schwierigkeiten für die Psychotherapeut*innen in Weiterbildung, die Befugten und Weiterbildungsstätten und die Kammern bei der Anerkennung der Weiterbildung verhindert.“ Ergänzend dazu gebe es Gegenstandskataloge für die detaillierten verfahrensspezifischen Fachkenntnisse und Handlungskompetenzen. Für eine höhere Transparenz und bessere Handhabbarkeit der Anforderungen an das Logbuch sondierten die Landeskammern gemeinsam mit der BPtK die Möglichkeit einer elektronischen Variante. Die Anforderungen der MWBO seien komplex. In Papierform liege die Dokumentation der Weiterbildung bei einer mittleren zweistelligen Seitenzahl. Von einem elektronischen Logbuch versprächen sich die Landeskammern eine Vereinfachung von Verwaltungsprozessen. Zudem erleichtere es die Mobilität der Psychotherapeut*innen in Weiterbildung über Kammergrenzen hinweg. Der 41. DPT nahm die vorgelegten Muster-Richtlinien und Gegenstandskataloge zustimmend zur Kenntnis.
Kammersystem beweist seine Leistungsfähigkeit
BPtK-Vizepräsident Dr. Nikolaus Melcop erinnerte daran, dass zentrale Reformziele der Weiterbildung erreicht worden seien, weil die Profession in dichten, strukturierten Diskursen gemeinsame Positionen gefunden und nach außen vertreten habe. „Die Landeskammern und die BPtK haben in Abstimmung mit der gesamten Profession wesentlich zur Gestaltung des neuen Studiums beigetragen und unter hohem zeitlichem Druck und mit großem Engagement ihrer Akteur*innen eine neue Muster-Weiterbildungsordnung entwickelt und verabschiedet.“ Damit habe das Kammersystem seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt.
Nun sei es wichtig, dass das Kammersystem die nächsten großen Aufgaben weiter gemeinsam angehe und zum Erfolg führe, appellierte Melcop an die Delegierten. Dazu gehöre auch die Solidarität bei der Integration der Psychotherapeut*innen nach neuem Recht in die Kammerstrukturen“. In den zurückliegenden gemeinsamen Projekten Transition und Reform der MWBO seien erfolgreiche Diskursformate entwickelt worden, wie die Bund-Länder AG, Expertengruppen, Fachtagungen, die Arbeitsgemeinschaft der Geschäftsführer*innen, die Ständige Kommission der Kammerjurist*innen oder der Austausch im Länderrat. Trotz föderaler Zuständigkeiten mit Heilberufsgesetzen und Weiterbildungsordnungen habe die Profession eine große Einheitlichkeit erreicht. „Wir wissen also, wie es geht“, stellte Melcop fest.
Viele Redebeiträge würdigten, dass die Profession seit dem Beschluss des 25. DPT im Jahr 2014 zu einer grundlegenden Ausbildungsreform Herausragendes geleistet habe und nun bereit sei, die Weiterbildung in die Praxis umzusetzen. Ex-BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter erinnerte an den langen Atem, den die Umsetzung einer solchen Reform brauchte. „Ich bin stolz darauf, dass wir heute die Beschlüsse von damals in trockenen Tüchern haben“, stellte Richter fest, der als BPtK-Präsident bis 2015 mit seinem Engagement maßgeblich zur Reform der Psychotherapeutenausbildung beigetragen hatte.
Als konkrete nächste Aufgabe beauftragte der 41. DPT die Kommission Zusatzqualifizierung, die MWBO der Psychologischen Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen unter Berücksichtigung der Beschlüsse zur MWBO für Psychotherapeut*innen zu überarbeiten. Darüber hinaus verabschiedete der 41. DPT eine in geschlechtergerechter Sprache überarbeitete Fassung der beiden MWBOen. Die anderen Satzungen und Ordnungen der BPtK waren bereits durch den vorhergehenden DPT geändert worden. Der DPT unterstützte den Vorschlag des Vorstandes, im Januar eine konzertierte Aktion der Profession zur Finanzierung der Weiterbildung zu starten und forderte den Gesetzgeber in einer einstimmig verabschiedeten Resolution zum Handeln auf.
Psychisch kranke Flüchtlinge angemessen versorgen
Im Bericht des Vorstands ging BPtK-Präsident Munz auf ein weiteres gesellschaftlich wichtiges Thema ein: die Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge. Ende dieses Jahres werde die Anzahl der Flüchtlinge in Deutschland wahrscheinlich die Anzahl der Menschen übersteigen, die 2015 zu uns kamen. Die Menschen, die aktuell vor dem russischen Angriffskrieg fliehen, genauso wie die Menschen, die vor den Taliban in Afghanistan oder dem iranischen Mullah-Regime Schutz in Deutschland suchen, seien auf unsere Solidarität angewiesen. Munz wies darauf hin, dass die Menschen, die in Deutschland Schutz suchten, alle – ohne Unterschied – Anrecht auf Hilfe hätten. Viele hätten in ihren Herkunftsländern oder auf der Flucht Traumatisches erlebt. Viele von ihnen bräuchten psychotherapeutische Behandlung. Die ukrainischen Flüchtlinge bezögen Arbeitslosengeld II. Sie seien damit gesetzlich krankenversichert und könnten eine psychotherapeutische Versorgung in Anspruch nehmen. Das sei gut und richtig so, stellte Munz klar. Die Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, fielen jedoch unter das Asylbewerberleistungsgesetz. Sie hätten nur Anspruch auf die Behandlung akuter Erkrankungen und von Schmerzzuständen. Psychotherapie stehe ihnen nur in Einzelfällen zu. Das sei nicht tragbar und widerspräche dem Anspruch, allen Menschen in Deutschland die gleiche Gesundheitsversorgung zukommen zu lassen. Menschen, die krank seien, bräuchten Hilfe – egal, aus welchem Land sie vor Unterdrückung, Krieg, Mord, Folter oder Hunger geflohen seien. Psychotherapeut*innen müssten ihnen allen helfen können, wenn sie Hilfe benötigten. Der BPtK-Präsident forderte deshalb, dass alle Flüchtlinge von Beginn ihres Aufenthaltes in Deutschland an Anspruch auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen haben sollten und damit regelhaft auch auf Psychotherapie.
Sprachmittlung finanzieren
BPtK-Präsident Munz stellte auch klar, dass Menschen, die nicht ausreichend gut Deutsch sprächen, in aller Regel auch Sprachmittlung benötigten. „Psychotherapie ist Sprache“, betonte Munz. Ohne sprachliche Verständigung sei keine angemessene psychotherapeutische Versorgung möglich. Bisher übernähmen die gesetzlichen Krankenkassen jedoch die Kosten für Sprachmittlung nicht. Die Bundesregierung plane, ausweislich des Koalitionsvertrags, hier Abhilfe zu schaffen. BPtK-Präsident Munz forderte die Bundesregierung auf, möglichst schnell die Sprachmittlung zu einer Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung für Patient*innen zu machen, die noch nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. BPtK-Vizepräsidentin Benecke ergänzte, dass die BPtK gemeinsam mit weiteren Organisationen der psychotherapeutisch-psychiatrischen Versorgung ein Positionspapier zur Verankerung der Sprachmittlung im SGB V veröffentlicht und gemeinsam eine Fachtagung zu dem Thema veranstaltet habe. Das Bundesgesundheitsministerium habe außerdem zwei Fachgespräche hierzu durchgeführt, zu denen auch die BPtK eingeladen worden war, und es sei davon auszugehen, dass bald Eckpunkte veröffentlicht würden.
Die Delegierten forderten die Bundesregierung mit einer Resolution auf, den Zugang zur Psychotherapie unabhängig vom Aufenthaltsstatus zu gewährleisten, die notwendige Sprachmittlung zu finanzieren, traumatisierte Flüchtlinge besser vor Abschiebungen zu schützen sowie psychotherapeutische Gutachten in Asylrechtsverfahren anzuerkennen.
Folgende weitere Resolutionen wurden von den Delegierten verabschiedet:
- Elektronische Patientenakte: Besondere Schutzbedürftigkeit von psychisch kranken Menschen achten
- Reform der Gebührenordnung für Psychotherapeut*innen längst überfällig – Vergütung der Privatpraxen sinkt seit 25 Jahren
- Solidarität mit Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen im Iran
- Solidarität mit den streikenden PiA in Baden-Württemberg
- Verfahrens- und Praxisbezug in Studium und Approbationsprüfung sicherstellen – die Psychotherapeutische Prüfung muss den Kompetenzerwerb für die Praxis weiterhin abbilden
Vorstand für den Haushalt 2021 entlastet
Rudi Bittner, Vorsitzender des Finanzausschusses, erläuterte den Delegierten den Haushaltsabschluss der BPtK für das Jahr 2021. Die Delegierten folgten einstimmig dem Votum des Finanzausschusses und entlasteten den Vorstand.
Beschluss des Haushaltsplans 2023
Wolfgang Schreck erläuterte für den Vorstand der BPtK den Delegierten die ausgabenwirksamen Vorhaben des Vorstands für das Jahr 2023. Rudi Bittner erläuterte die Bewertungen des Haushaltsplans durch den Finanzausschuss. Auch hier folgte der DPT einstimmig dem Votum des Finanzausschusses und beschloss die Haushaltsplanung für das Jahr 2023.
Wahlen
Als stellvertretende Vertreter*innen der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen im Länderrat wählten die Delegierten Dr. Nicole Nagel und Martin Czajka.
Abschied und Neuanfang
Die Delegierten des 41. DPT verabschiedeten die langjährige BPtK-Geschäftsführerin Dr. Christina Tophoven und hießen ihre Nachfolgerin Dr. Ilona Köster-Steinebach willkommen.
Downloads
- Elektronische Patientenakte: Besondere Schutzbedürftigkeit von psychisch kranken Menschen achten
0.1 MB
- Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung sichern
0.1 MB
- Flüchtlinge brauchen bessere psychotherapeutische Versorgung
0.2 MB
- Klima- und Umweltschutz umsetzen und psychischen Gefährdungen der ökologischen Krise begegnen
0.1 MB
- Resolution: Mehr Psychotherapeut*innen zulassen – Bedarfsplanung reformieren
0.1 MB
- Resolution: Politische Verantwortung übernehmen – Kinder, Jugendliche und ihre Familien unterstützen
0.1 MB
- Psycho-soziale Einrichtungen durch hohe Energiekosten akut gefährdet
0.1 MB
- Reform der Gebührenordnung für Psychotherapeut*innen längst überfällig – Vergütung der Privatpraxen sinkt seit 25 Jahren
0.1 MB
- Solidarität mit Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen im Iran
0.1 MB
- Solidarität mit den streikenden PiA in Baden-Württemberg
0.1 MB
- Resolution: Soziale Ungleichheit gefährdet psychische Gesundheit
0.1 MB
- Verfahrens- und Praxisbezug in Studium und Approbationsprüfung sicherstellen – die Psychotherapeutische Prüfung muss den Kompetenzerwerb für die Praxis weiterhin abbilden
0.1 MB