Im Zeichen politischen Aufbruchs und aktueller gesellschaftlicher Verantwortung
Der 46. Deutsche Psychotherapeutentag fand vom 16. bis 17. Mai 2025 in Leipzig statt.

Staatsministerin Petra Köpping, MdL, Dr. Gregor Peikert, Dr. Andrea Benecke
Am 16. und 17. Mai 2025 trat das Parlament der Psychotherapeutenschaft in Leipzig zu seiner 46. Bundesdelegiertenversammlung zusammen. Der 46. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) stand im Zeichen des politischen Aufbruchs und der aktuellen gesellschaftlichen Verantwortung.
Ein Blick in die Vergangenheit eröffnet Perspektiven auf den Fortschritt und auf andauernde Herausforderungen gleichermaßen. Versammlungsleiterin Birgit Gorgas verwies auf den Bericht der Psychiatrie-Enquete, der vor rund 50 Jahren veröffentlicht wurde und wegweisende Empfehlungen für die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen beinhaltete. Obwohl das Versorgungssystem in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich weiterentwickelt wurde, behalte der Bericht bis heute seine Aktualität. Herausforderungen wie die bedarfsgerechte Versorgung von allen Menschen mit psychischen Erkrankungen in Stadt und Land, ambulant und stationär, seien weiterhin ein zu lösendes Problem, ebenso wie die Fachkräftesicherung, um für Patient*innen eine qualifizierte Behandlung zu gewährleisten.
Der Präsident der gastgebenden Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer (OPK) Dr. Gregor Peikert erinnerte an das geistige Erbe der Stadt Leipzig: von Goethes Kulturschätzen über Heinroths Lehrstuhl für „Psychische Therapie“ und Wilhelm Wundts weltweit erstem Institut für Psychologie bis zur Nikolaikirche, die Leipzig zum Kristallisationspunkt und zum Symbol für den friedlichen Widerstand und die Wende hin zur Demokratie im Osten Deutschlands machte. Kultur, Psychologie und Politik seien eng verwoben und prägten den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Fehlende Teilhabe, mangelnde Zuversicht und Ressentiments wirkten sich auch auf die Psyche aus. In Zeiten von Transformationsprozessen, Unsicherheit und politischen Spannungen müssen psychologische Faktoren gesellschaftlicher Unzufriedenheit stärker berücksichtigt werden. Das erfordere politische Entscheidungen für eine starke psychotherapeutische Versorgung und Weiterbildung. Peikert bedankte sich bei der Sächsischen Staatsministerin für Soziales, Gesundheit und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Petra Köpping für ihren Einsatz. Gleichzeitig erteilte er jeglicher Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen eine entschiedene Absage. Denn eine Kategorisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen nach Gefährlichkeit sei ungeeignet, diskriminierend und potenziell kontraproduktiv für die Inanspruchnahme von Therapie. Leipzig erinnere daran, Brücken zu bauen – zwischen Profession, Politik und Gesellschaft. So wie die OPK als länderübergreifende Kammer dies für die Profession in Ostdeutschland betreibe, bleibe es ein gemeinsamer Auftrag für alle.
Psychotherapie – Stabilisator des gesellschaftlichen Zusammenhalts
Die Sächsische Staatsministerin für Gesundheit, Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Petra Köpping würdigte die Arbeit der Psychotherapeut*innen ausdrücklich: „Die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind im Kontakt mit den Menschen oft die Ersten, die erkennen, wie sich Krisen auswirken. Die psychotherapeutische Versorgung ist daher auch ein wichtiger Baustein für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil sie die Resilienz und die Bewältigungskompetenzen der Menschen stärkt.“ Gerade in Ostdeutschland, wo viele Menschen durch Transformationen und den Verlust von Anerkennung geprägt sind, müsse dieser Beitrag gewürdigt, erhalten und ausgebaut werden. Denn in Zeiten, in denen Menschen verschiedenste Krisen durchleben, fühlten sie sich oft damit überfordert. Die Staatsministerin erinnerte daran, dass Menschen in der DDR auch aus politischen Gründen psychiatrisiert wurden. Gemeinsam habe in den vergangenen Jahren in Sachsen viel für die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bewirkt werden können. Daran müsse angeschlossen werden. Dies gelte auch für den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, dessen Umsetzung die Länder eng begleiten würden. Die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen müsse auch aus ostdeutscher Perspektive betrachtet werden. Gesellschaftlicher Zusammenhalt hänge nicht nur von Wirtschaftskraft ab, sondern vom Miteinander und davon, ob Menschen einander zuhören. Gemeinsam handeln und nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen, darauf komme es an.
Regionales Versorgungsnetz essenziell für die Menschen
Für Menschen mit psychischen Belastungen und Erkrankungen ist das Versorgungsnetz vor Ort oft überlebenswichtig. Corinna Klinger, Psychiatriekoordinatorin der Stadt Leipzig, brachte in ihrem Grußwort auf den Punkt, worum es geht: Menschen brauchten Halt – besonders in Zeiten multipler Krisen. Die psychosozialen Belastungen stiegen und mit ihnen der Bedarf an verlässlicher Unterstützung. Doch während der Bedarf wachse, gerieten bewährte Strukturen, wie beispielsweise die Psychosozialen Zentren für Geflüchtete, zunehmend unter Druck. Diese Angebote zu erhalten, sei eine Frage gesellschaftlicher Gerechtigkeit und des Zusammenhalts. Besonders deutlich zeigten sich die psychischen Belastungen und ihre Auswirkungen bei Kindern und Jugendlichen. Große Sorgen bereiteten Schulabsentismus und Schulsuspendierungen. Kinder brauchten ein System, das sie versteht, unterstützt und trägt. Ein wichtiges Anliegen sei ihr auch ein diversitätssensibles Versorgungssystem, auch in der Psychotherapie, das verschiedene Perspektiven, Lebensrealitäten und Bedürfnisse berücksichtige. Denn insbesondere BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color) und LSBTIQ*-Personen seien noch immer mit strukturellen Barrieren im Versorgungssystem konfrontiert. Die Baustellen im System seien zahlreich. Nicht alles lasse sich sofort lösen. Aber wenn alle Akteur*innen gemeinsam für mehr psychische Gesundheit einträten, würde Schritt für Schritt eine Versorgung geschaffen, die allen Menschen gerecht wird.
Wir nehmen die Koalition beim Wort
In ihrer Eröffnungsrede betonte die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) Dr. Andrea Benecke die besondere Bedeutung des neuen Koalitionsvertrags: Erstmals habe die Bundesregierung der Psychotherapie ein eigenes Unterkapitel gewidmet. Dies sei ein politischer Durchbruch, den die Profession durch gemeinsame Kraftanstrengungen mitgestalten konnte. „Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag viel vorgenommen, um die psychische Gesundheit der Menschen umfassend zu stärken – von der Prävention und Früherkennung über die Versorgung und Fachkräftesicherung bis hin zur Digitalisierung und Entbürokratisierung. Entscheidend ist jetzt aber die Umsetzung. Wir nehmen die Koalition beim Wort“, sagte Dr. Andrea Benecke. „Die Politik braucht jetzt Mut und Fokus, damit sich auch künftige Generationen auf eine gesicherte psychotherapeutische Versorgung verlassen können.“ Im Fokus stehen zentrale Versorgungsfragen: Die separate Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche, eine Reform der psychotherapeutischen Versorgung im ländlichen Raum sowie die dringend notwendige Finanzierung der Weiterbildung. Angesichts steigender psychischer Erkrankungen und eines sich verschärfenden Fachkräftemangels forderte die Präsidentin eine rasche Umsetzung. Der Bedarf an Psychotherapie werde bis 2030 weiter steigen, während gleichzeitig viele Psychotherapeut*innen in den Ruhestand treten – die Versorgungslücke drohe, noch größer zu werden. Es sei zwar ein wichtiger Erfolg, dass die sichere Finanzierung der Weiterbildung erstmals im Koalitionsvertrag festgehalten wurde und die Politik verstanden habe, dass sie an diesem Thema nicht vorbeikommt. „Die Studierenden brauchen jetzt aber eine klare Perspektive. Das muss die Politik nun leisten. Schnell. Und darauf werden wir drängen“, betonte Benecke. „Die wenigen Weiterbildungsstellen, die es heute schon gibt, stehen in überhaupt keinem Verhältnis zum Bedarf. Die Studierenden müssen die prekäre Lage aushalten und wissen nicht, wie es nach dem Studium weitergeht. Deshalb muss die Situation der Studierenden besonders in den Blick genommen werden und bei allem, was vorschlagen wird, immer mitgedacht werden.“
Als weiteren Schwerpunkt benannte die BPtK die Rolle der Psychotherapeut*innen in der Steuerung der Patientenversorgung. Mit der psychotherapeutischen Sprechstunde sei eine zentrale Struktur etabliert worden, die sich bewährt habe. Es sei völlig illusorisch, dass die diagnostische Abklärung bei über 600.000 Patient*innen, die jedes Quartal in der psychotherapeutischen Sprechstunde vorstellig werden, von jemand anderem im Versorgungssystem sinnvoll geleistet werden könnte als von Psychotherapeut*innen.
Die Versorgung psychisch erkrankter Menschen brauche zweitragende Säulen – eine starke ambulante und eine starke stationäre Versorgung, die sektorenübergreifend ineinandergreifen. Deshalb müsse auch die stationäre Versorgung gestärkt werden. Psychotherapeutische Expertise sei dort unverzichtbar und werde gebraucht: nicht nur für die eigentliche psychotherapeutische Behandlung, sondern auch für Notaufnahmen und Kriseninterventionen, Bereitschafts- und Nachtdienste, Aus- und Weiterbildung von Kolleg*innen, Supervision von Teams und interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Ein weiteres zentrales Anliegen sei die Prävention: Psychische Gesundheit müsse ressortübergreifend gedacht und gefördert werden – in Bildung, Arbeitswelt und Familie. Der Koalitionsvertrag gebe hier richtungsweisende Ziele vor. Diese wolle die Profession mit einer eigenen Präventionsstrategie eng begleiten.
Auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen bleibe ein Kernthema der BPtK-Arbeit, bei der Zukunftsthemen, wie die Künstliche Intelligenz in der Psychotherapie, mit einer „Digitalen Agenda 2030“ professionsintern und in enger Zusammenarbeit mit den Landeskammern beraten sowie Empfehlungen und Positionen entwickelt werden sollen. Ziel sei es, die Digitalisierung patientenzentriert, ethisch fundiert und praktisch nutzbar zu gestalten. Das sei etwa auch beim Einsatz der elektronischen Patientenakte weiterhin ein zentrales Anliegen. Benecke hob die erreichten Verbesserungen im Datenschutz für Kinder und Jugendliche hervor, mahnte aber dringenden weiteren Handlungsbedarf an.
Deutliche Kritik äußerte die Präsidentin am laufenden Qualitätssicherungsverfahren in Nordrhein-Westfalen: Es sei bürokratisch, teuer und liefere keine brauchbaren Erkenntnisse, wie eine psychotherapeutische Behandlung verbessert werden könne. Der gesetzliche Auftrag für das QS-Verfahren müsse daher gestrichen werden, am besten noch während der Erprobung. Gemeinsam müsse jedoch beraten werden, wie eine sinnvolle professionseigene Alternative aussehen könne, um die Politik davon überzeugen zu können, das Gesetz zu ändern.
Die Präsidentin unterstrich, dass psychische Gesundheit, Menschenrechte und Demokratie fest zusammengehören. In Zeiten globaler Bedrohungen sei es zentral, Haltung zu zeigen – in der Versorgung und im gesellschaftlichen Diskurs. „Die Verpflichtung auf die Menschenrechte wird immer unser ethischer Kompass sein“, so Benecke. Sie warnte mit deutlichen Worten vor Stigmatisierung und Diskriminierung: Überlegungen zu Registern für psychisch erkrankte Menschen oder eine generell unterstellte Neigung von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu Gewalt seien wissenschaftlich unbegründet und gesellschaftlich gefährlich. Sie blicke daher mit Sorge auf die Ankündigung im Koalitionsvertrag, frühzeitig Erhebungen zum Risikopotenzial bei Menschen mit psychischen Auffälligkeiten anzustellen. Eine psychische Erkrankung dürfe nicht zum Kriterium für behördliche Überwachung werden. Menschen mit psychischen Erkrankungen bräuchten Hilfe, deshalb müssten Versorgungslücken geschlossen werden.
Mit dieser klaren Position und einem Appell an die Politik zu handeln, schloss die Präsidentin: Die BPtK wolle bewahren, was sich bewährt habe, und gestalten, was notwendig sei. Der DPT markiere den Ort der fachlichen Expertise, des Engagements und der Verantwortung.
Im Anschluss gab Dr. Benecke dem neuen Geschäftsführer der BPtK das Wort. Mit Dr. Ben Möbius werde das Profil der BPtK als Partnerin der Politik, agiler Dienstleisterin für die Mitglieder, Think-Tank für psychische Gesundheit und führender Akteurin im öffentlichen Dialog deutlich geschärft. Möbius dankte der Präsidentin für die freundlichen Worte. Er bedankte sich bei den Delegierten für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im vergangenen halben Jahr und insbesondere für den herzlichen Empfang in den Landeskammern. Er freue sich sehr über das gute Zusammenwirken in den vergangenen Monaten beziehungsweise auf ein baldiges Kennenlernen. Möbius betonte die Bedeutung der Mission psychische Gesundheit. Im weiteren Verlauf präsentierte er den vom Vorstand erbetenen Projektplan zum zentralen Projekt „Digitale Agenda 2030“. Die Gesetzgebung in anderen Ländern zu Mental Health und Chatbots führe die Dringlichkeit des Themas vor Augen. Der Projektplan sehe eine Projektstruktur mit drei Ebenen vor: die Steuerungsebene, die Beratungsebene, insbesondere die BPtK-Gremien und die Schnittstellen zu den Landeskammern und deren Gremien, sowie die Projektebene in der Geschäftsstelle der BPtK. Der Arbeitsprozess sehe strukturierte Interviews mit Expert*innen und der Politik vor. Für den Beratungsprozess seien Debatten und Abstimmungen in mehreren Runden vorgesehen. Ziel sei es, das Projekt in einem Jahr auf dem Frühjahrs-DPT 2026 abzuschließen. Der vorgestellte Projektplan diene einem zielgerichteten, partizipativen und transparenten Prozess. Mit der „Digitalen Agenda 2030“ solle es in Zukunft gelingen, die digitale Entwicklung, vor allem mit Blick auf Künstliche Intelligenz, stärker mitzugestalten. Es gehe darum, die Chancen zu nutzen, die Risiken zu erkennen und operative, regulatorische sowie ethische Leitplanken zu definieren.
Die Delegierten würdigten die intensive Arbeit des Vorstands mit ausdrücklichem Dank. In der anschließenden Aussprache stellte sich die Profession geschlossen hinter das Ziel, die psychotherapeutische Versorgung zukunftsfest zu gestalten, und erkannte die gesellschaftspolitische Verantwortung an, die mit dem neuen Koalitionsvertrag verbunden ist. Die Delegierten machten aber deutlich: Die verlässliche Finanzierung der Weiterbildung ist der Schlüssel für die Zukunft der Profession und der Versorgung. Es sei insbesondere dem Engagement der Studierenden zu verdanken, dass das Ziel im Koalitionsvertrag festgehalten wurde. Ihr Einsatz, auch auf der Straße, werde von allen Delegierten ausdrücklich geschätzt.
Der Koalitionsvertrag erkenne die Psychotherapie als Heilberuf, freien Beruf und starke Selbstverwaltung an. Maßnahmen zum Bürokratieabbau und Mutterschutz für Selbstständige seien Fortschritte. Der Erhalt des Erstzugangsrechts in der Psychotherapie sei ein unverzichtbares Instrument zur Steuerung der Versorgung. Die Delegierten begrüßten die klare Haltung des Vorstandes. Mit Blick auf die elektronische Patientenakte (ePA) mahnten sie ein differenziertes Berechtigungsmanagement und den Schutz der sensiblen Daten von Kindern und Jugendlichen an. Die Profession müsse die wichtigen Zukunftsfelder Digitalisierung und Künstliche Intelligenz weiterhin mitgestalten. Auch die Prävention stärker in den Fokus zu rücken, sei erforderlich, um starke Konzepte zu entwickeln und Allianzen mit Akteur*innen in den Bereichen Bildung, Arbeitswelt und Gesundheitswesen zu schmieden. Angesichts der Virulenz des Themas psychische Gesundheit wurde das europapolitische Engagement der BPtK als zunehmend bedeutsam für die Berufspolitik eingeschätzt und begrüßt. Besondere Anerkennung galt auch dem Einsatz der BPtK für Betroffene in Strafverfahren, um für Opfer frühzeitige psychotherapeutische Hilfe sicherzustellen.
Sichere Finanzierung der Weiterbildung zentral
Die Weiterbildung des psychotherapeutischen Nachwuchses und deren Finanzierung bleiben Schwerpunktthemen des Deutschen Psychotherapeutentages. In Leipzig diskutiere die Profession jedoch unter anderen Voraussetzungen, unterstrich BPtK-Präsidentin Benecke bei ihrer Einführung in diesen Tagesordnungspunkt. „Auf dem Weg zu einer Gesetzesänderung haben wir ein sehr wichtiges Etappenziel erreicht. Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD die Sicherstellung der Finanzierung der Weiterbildung vereinbart.“ Im Namen des Vorstandes dankte sie allen Mitstreiter*innen in Kammern und Verbänden – und insbesondere den Studierenden. Sie hätten mit ihrer Hartnäckigkeit wesentlich zur Handlungsbereitschaft in der Politik beigetragen. „Jetzt muss der Gesetzgeber zügig handeln, weil der Problemdruck immer weiter steigt“, appellierte Benecke. In diesem Jahr werden ca. 1.000 Absolvent*innen des Psychotherapie-Studiengangs erwartet, die die neue Approbation als „Psychotherapeut*in“ erhalten können. Ab 2026 werde es mindestens 2.500 Absolvent*innen pro Jahr geben. Die allermeisten würden dann auf eine Weiterbildung angewiesen sein, wenn sie den Fachpsychotherapeuten-Standard erreichen und auf dieser Grundlage zum Beispiel als Leitende Psychotherapeut*innen oder in eigener Praxis tätig sein möchten.
»Die Vollendung der Reform der Psychotherapeutenausbildung steht und fällt mit der Finanzierung der Weiterbildung und damit auch die Zukunft der psychotherapeutischen Versorgung“, warnte Benecke. „Wir haben viele motivierte junge Menschen, die das aufwendige neue Studium begonnen oder bereits absolviert haben. Deshalb brauchen wir gesetzliche Regelungen für eine angemessene Finanzierung für Praxen, Ambulanzen und Kliniken.“ Nächste Etappenziele seien nun, mit den neuen politischen Akteur*innen ins Gespräch zu kommen und sie von den Lösungsvorschlägen der Profession zu überzeugen. „Nur mit der Gewissheit einer ausreichenden Finanzierung, die Psychotherapeut*innen in Weiterbildung ein angemessenes Gehalt sichert und auch die weiteren Kosten der Weiterbildung abdeckt, wird es genügend Kolleg*innen und andere Verantwortliche in Krankenhäusern geben, die Weiterbildungsstellen schaffen werden“, stellte Benecke klar. „Eine Gesetzesänderung zur Finanzierung der Weiterbildung hat deshalb jetzt höchste Priorität.“
Trotz der ausstehenden Regelungen zur Finanzierung engagiere sich der Berufsstand in den Weiterbildungsgremien der BPtK weiter intensiv für die Umsetzung. Zentrale Themen der laufenden Arbeit seien der Austausch zur Beratung und Gewinnung neuer Weiterbildungsstätten und -befugter, die Auslegung dieser Regelungen in den Ordnungen, die Klärung von Kooperationen mit Weiterbildungsinstituten, eine Klarstellung bezüglich der Möglichkeiten und Grenzen der Theorievermittlung in Onlineformaten und die Regelung der Weiterbildung Hypnotherapie. Beim kommenden DPT im Herbst würde dann voraussichtlich eine Reihe von Ergebnissen zur Diskussion und zur Abstimmung gestellt.
Dr. Benecke würdigte ausdrücklich die Fortschritte im Bereich der Weiterbildung im institutionellen Bereich. Dieser Bereich sei dem Berufsstand im Rahmen der Ausbildungsreform ein besonderes Anliegen gewesen, um in der reformierten Qualifizierung die ganze Breite des Berufsprofils von Psychotherapeut*innen abzudecken. „Fortschritte gibt es im Bereich der Jugendhilfe. In einer ersten Erziehungsberatungsstelle kann mit der Weiterbildung begonnen werden“, gab Benecke bekannt. „Das ist der Leuchtturm, auf den die Profession lange hingearbeitet hat – auch in Kooperation mit der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung.“ Das gebe vergleichbaren Einrichtungen jetzt eine wichtige Orientierung. Gemeinsam mit dem Dachverband Gemeindepsychiatrie sei mit Einrichtungen der Gemeindespsychiatrie ein weiteres Tätigkeitsfeld intensiver anvisiert worden, in dem Weiterbildung von Psychotherapeut*innen ermöglicht werden soll. Im Kontext der Qualifizierung von Psychotherapeut*innen seien auch die Tätigkeiten als Sachverständige von BPtK und Landespsychotherapeutenkammern in den Blick genommen worden. In einem Round-Table-Gespräch war deutlich geworden, dass es künftig primär darum gehen müsse, die Qualifikation der Psychotherapeut*innen als forensische Sachverständige sichtbarer zu machen. Die diesbezüglich nächsten Schritte werden demnächst im Länderrat beraten.
Benecke berichtete auch über den Stand der Entwicklung eines elektronischen Logbuchs für die Weiterbildung. Das gemeinsame IT-Projekt von BPtK und Landeskammern war offiziell im Oktober 2024 gestartet. „Die Zusammenarbeit aller am Projekt beteiligten Gremien gestaltet sich ausgesprochen konstruktiv und zielführend. So ist es gelungen, die Beschreibung der notwendigen Funktionalitäten des eLogbuchs bereits jetzt gemeinsam weitestgehend abzustimmen.“
Die anschließende Debatte zeichnete ein breites Bild von den Herausforderungen bei der Umsetzung der Weiterbildung. Erwartungsgemäß stand dabei die Finanzierung der Weiterbildung im Mittelpunkt. Vertreter*innen der Studierenden und von Psychotherapeut*innen in Weiterbildung machten auf die große Unsicherheit aufmerksam, wie es für sie nach Studium und Approbation weitergehe. Das Ziel der neuen Regierungskoalition, die Weiterbildungsfinanzierung zu sichern, sei ein großer Erfolg und zeige, dass die Nöte der Studierenden gehört worden seien. Jetzt kämpfe man hoffnungsvoll und mit großem Einsatz weiter, damit die notwendigen Regelungen getroffen werden, und zähle dabei auf die Unterstützung der Profession.
Vertreter*innen potenzieller Weiterbildungsstätten wiesen auf spezifische Problemlagen hin, falls es nicht rasch gesetzliche Lösungen zur Finanzierung gebe. So werde es in vielen Kliniken ohne eine gesetzliche Zwischenlösung erst dann eine ausreichende Zahl an Weiterbildungsstellen geben, wenn es keine Ausbildungsteilnehmer*innen der alten Qualifizierung mehr gebe, die dort im Sinne eines Praktikums ihr Psychiatriejahr absolvieren. Erst dann seien die Kliniken zur Sicherung der Versorgung auf Psychotherapeut*innen in Weiterbildung angewiesen, die sie dann auch tariflich bezahlen müssten.
In mehreren Redebeiträgen wurde deutlich, dass die Profession im Spannungsfeld von wachsenden Absolventinnenzahlen einerseits und Deckungslücken bei der Finanzierung andererseits keine Fehlentwicklungen zulassen dürfe, die eine Ausbeutung des Nachwuchses fortschreibe. Das gelte insbesondere für die ambulante Weiterbildung, weil Weiterbildungsstätten dort in der Regel nicht tarifgebunden seien. In Bezug auf eine tarifliche Eingruppierung wiesen die Studierenden auf das hohe Qualifikationsniveau nach dem reformierten Studium und das Vorliegen einer Approbation hin. Beides müsse sich künftig in der tariflichen Eingruppierung analog der Entgeltgruppe EG 14 im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst niederschlagen.
Gegenstand der Diskussion waren auch die Perspektiven von Kammerangehörigen mit der neuen Approbation, die keine Weiterbildung zur Fachpsychotherapeut*in absolvieren. Hier sei es Aufgabe von Universitäten, Kammern und Verbänden, diese Kolleg*innen noch besser über ihre beruflichen und berufsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen zu informieren.
Die BPtK-Präsidentin sicherte zu, dass die Kammern mit Blick auf die Reformziele standhaft bleiben und keine prekären Verhältnisse dulden würden. Die Kammern nähmen Weiterbildungsstätten unter die Lupe, die gesetzliche Normen unterschreiten. Das seien rote Linien, die für alle bei der Umsetzung der Weiterbildung gelten. Gleichzeitig erteilte sie Überlegungen eine Absage, den Fachpsychotherapeuten-Standard durch grundlegende Veränderungen der Weiterbildungsordnungen abzusenken. Dafür müsse es ausreichende Erfahrungen mit der neuen Weiterbildung geben, die evaluiert werden könnten und müssten. Die Profession habe die Anforderungen der Weiterbildung aus fachlichen Gründen so geregelt und die Kammern hätten diese Anforderungen in den europarechtlich vorgeschriebenen Verhältnismäßigkeitsprüfungen begründet und von ihren Aufsichtsbehörden genehmigen lassen. Mögliche Absenkungen geregelter Mindeststandards müssten daher fachlich begründet werden können. Das stehe jetzt nicht auf der Tagesordnung.
Qualitätssicherung muss der Versorgung dienen
Die datengestützte Qualitätssicherung (QS) nach der DeQS-Richtlinie steht stark in der Kritik. BPtK-Vizepräsident Dr. Nikolaus Melcop erläuterte, dass sich der QS-Ansatz aus dem Krankenhaus, der sich auf klar umrissene Eingriffe beziehe, nicht eins zu eins auf die ambulante Versorgung übertragen lasse – und schon gar nicht auf die Psychotherapie, so wie dies jetzt geschehen sei. Denn die ambulante psychotherapeutische Behandlung unterscheide sich grundlegend: Die Patient*innen sind sehr heterogen hinsichtlich Diagnose, Erkrankungsschwere, Behandlungsdauer und Komorbidität. Die Behandlungen variieren stark, auch aufgrund von Kombinationen mit Gruppenangeboten, medikamentöser Mitbehandlung oder anderen Versorgungsangeboten. Die Zahl der jährlich abgeschlossenen Behandlungen pro Praxis ist statistisch zu gering für einen validen Vergleich. Hinzu kommt, dass Rückmeldungen aus Patientenbefragungen zeitlich stark verzögert, anonymisiert und ohne Bezug zu konkreten Fällen erfolgten. Eine inhaltliche Auswertung durch die Praxis, bei welchen Patientengruppen eine Anpassung psychotherapeutischer Prozesse gegebenenfalls sinnvoll sein könnte, sei dadurch unmöglich. Das vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) entwickelte Verfahren sieht zwei Erhebungswege vor: eine Leistungserbringer-Dokumentation mit 104 Datenfeldern und eine Patientenbefragung, aus denen jeweils neun Qualitätsindikatoren errechnet werden sollen. Beide Instrumente stehen aus Sicht der Profession massiv in der Kritik: Es fehlten wissenschaftlich fundierte Belege für relevante Qualitätsprobleme bei den abgefragten Inhalten. Die Dokumentation erzeuge hohen bürokratischen Aufwand, ohne dass daraus relevante Erkenntnisse für die Praxis resultierten. Die Patientenbefragung leide an gravierenden methodischen Mängeln, etwa bei der Konstruktion der Qualitätsindikatoren, der Wahl der Antwortskalen und der Risikoadjustierung. Expert*innen, Fachgremien und auch Kostenträger hätten die grundlegende Nichteignung des Verfahrens bereits vor Beginn der Erprobung benannt, so Melcop. Dennoch werde das Verfahren nun verpflichtend erprobt – mit gravierenden Folgen für die Behandlung der Patient*innen und die Versorgung. „Dieses QS-Verfahren ist für die ambulante psychotherapeutische Versorgung grundsätzlich ungeeignet. Es produziert statistisch auffällige Ergebnisse, die fachlich nicht für Qualitätsverbesserungen genutzt werden können. Es erzeugt nicht Qualität, sondern Belastung, Unsicherheit und Irreführung“, erklärte Melcop. Psychotherapeut*innen werde wertvolle Behandlungszeit genommen. Sie würden unter diffusen Druck gesetzt, könnten aber anhand der Ergebnisse keine relevanten Informationen zur Verbesserung ihrer Patientenbehandlung erhalten. Im geplanten öffentlichen Qualitätsportal werde es verzerrte und irreführende Informationen über Praxen und fragwürdige Rankings geben, die sich wiederum durch die erzeugten falschen Erwartungen negativ auf einzelne psychotherapeutische Behandlungen und auf die Versorgung rückwirken könnten. Es drohe ein Vertrauensverlust, wenn Patient*innen auf Basis solcher Daten voreilige Rückschlüsse ziehen. Melcop forderte: „Angesichts der nicht veränderbaren Defizite des QS-Verfahrens braucht es eine klare Korrektur des gesetzlichen Auftrags. Die Politik muss die gesetzliche Regelung zu dem QS-Verfahren ambulante Psychotherapie streichen und die Erprobung umgehend beenden!“
In Nordrhein-Westfalen sind über 7.000 Psychotherapeut*innen zur Teilnahme an der Erprobung des neuen QS-Verfahrens in der ambulanten Psychotherapie verpflichtet. Bereits jetzt zeigt sich: Der bürokratische Aufwand ist sehr hoch – und die Auswirkungen auf die Versorgung sind gravierend. Andreas Pichler, Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW, berichtete eindrücklich von der Belastung, die das QS-Verfahren in der Praxis verursacht. Die Dokumentationspflichten seien zeitintensiv und hielten die Kolleg*innen davon ab, sich ihrer eigentlichen Aufgabe zu widmen: der psychotherapeutischen Arbeit mit Patient*innen. Zusätzlich komme es zu finanziellen Belastungen, etwa durch die Anschaffung und Anpassung der Praxissoftware, um die geforderten Daten zu übermitteln. Noch immer fehle eine Vergütungsregelung, mit der die Kosten für die QS-Software und die zusätzlichen Dokumentationspflichten kompensiert werden. Pichler machte deutlich: Der Aufwand, der für das QS-Verfahren betrieben werden muss, bindet nicht nur Zeit in den Praxen, sondern verursacht auch beträchtliche Kosten im Gesundheitswesen insgesamt – bei unklarem Nutzen. Schon in der Erprobungsphase sei absehbar, dass das Verfahren mehr Bürokratie als Qualität schaffe. Angesichts der angespannten Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung stelle sich die Frage, ob ein derart aufwendiges Verfahren überhaupt weitergeführt – geschweige denn bundesweit eingeführt – werden sollte. Der Präsident der Kammer NRW erinnerte in diesem Zusammenhang an die Zusage der neuen Bundesregierung, bürokratische Belastungen im Gesundheitswesen konsequent abzubauen. Auch beim QS-Verfahren müsse dieses Versprechen eingelöst werden.
Wie kann demgegenüber eine Qualitätssicherung in der ambulanten Psychotherapie aussehen, die wissenschaftlich fundiert ist, tatsächliche Qualitätsverbesserungen ermöglicht – und dabei der Behandlungspraxis Vorteile bringt? Dr. Matthias Volz, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Kassel, stellte dazu den aktuellen Forschungsstand zu Monitoring- und Feedbackansätzen vor. Er unterstrich das Potenzial dieser Ansätze für eine professionsgetragene Qualitätssicherung in der ambulanten Versorgung. Diese Ansätze wurden in zahlreichen Studien wissenschaftlich validiert und ermöglichen gezielte Qualitätsverbesserungen für die einzelnen Behandlungen und auch auf Praxisebene. Sie berücksichtigen systematisch die Perspektive der Patient*innen und sind für verschiedene Verfahren, Settings und Patientengruppen entwickelt worden und geeignet. Zugleich werden dysfunktionale und irreführende Einrichtungsvergleiche verhindert. Der Fokus wird dabei auf eine wirksame Nutzung im Rahmen der internen Qualitätssicherung gesetzt, indem verschiedene Systeme genutzt und individuell praxisgerecht ausgestaltet werden können. Beispiele wie das QVA/QSP-Projekt zeigten, dass die Nutzung dieser Ansätze auch wirtschaftlich darstellbar ist. Sie stärkten auch die professionelle Autonomie, indem sie inhaltlich an der Versorgung und nicht an Kontrolllogiken orientiert sind. Eine wesentliche Erkenntnis besteht darin, dass es nicht „das eine“ System gibt, sondern eine Auswahl validierter Feedback- und Monitoringansätze, die zentrale Qualitätskriterien erfüllen. Dadurch werde nicht nur ein breiter Zugang, sondern auch die Identifikation aufseiten der Anwender*innen ermöglicht – ohne dysfunktionalen Einrichtungsvergleichen und Benchmarking den Weg zu bereiten.
Im Anschluss daran erläuterte BPtK-Vorstandsmitglied Cornelia Metge, wie sich daraus ein realistischer, evidenzbasierter Alternativvorschlag für die Politik ableiten ließe. Seit vielen Jahren diskutiere die BPtK gemeinsam mit Landespsychotherapeutenkammern, Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen alternative Modelle der Qualitätssicherung. Monitoring- und Feedbacksysteme böten dabei ein belastbares Fundament für eine evidenzbasierte, versorgungsnahe und differenzierte Qualitätssicherung in der Psychotherapie. Ein professionsgetragener alternativer Ansatz müsse bestimmte Anforderungen erfüllen. Dazu zählten die individualisierte Verlaufsdiagnostik statt einer reinen Prä-Post-Erhebung, wissenschaftlich validierte, lizenzfreie Instrumente mit möglichst niedrigem Erhebungsaufwand, die webbasierte Durchführung mit unmittelbarem, kriterienbasiertem Feedback, eine niedrigschwellige Integration in den Versorgungsalltag, inklusive angemessener Vergütung über den EBM, sowie eine wissenschaftliche Begleitforschung zur kontinuierlichen Weiterentwicklung. Die Heterogenität der Systeme und die individuellen Ausgestaltungsmöglichkeiten seien der zentrale Kern, der diesen QS-Ansatz praxistauglich macht und sich von der Logik der DeQS-Richtlinie deutlich abgrenzt. Eine Struktur für bundeseinheitliche Einrichtungsvergleiche solle ausdrücklich nicht entstehen – denn Psychotherapie sei individuell, die Patientinnengruppen und die Behandlungen sehr vielfältig. Ihre Qualität lasse sich daher nicht auf Durchschnittswerte reduzieren. Die Profession sei in der Verantwortung, frühzeitig tragfähige Alternativen zu entwickeln. Nicht erst 2031, sondern jetzt. Denn eines hätten Rückmeldungen aus der Politik deutlich gemacht: Eine Abschaffung des QS-Verfahrens ambulante Psychotherapie wird es nur geben, wenn die Profession selbst einen überzeugenden QS-Ansatz als Alternative präsentiert. Dies solle – im nächsten Schritt – im Rahmen eines breiten internen Beratungsprozesses, zu dem neben einem Workshop ein professionsweites Onboarding gehört, das Informationen, Schulung und Partizipation sichert, weiter präzisiert werden und in einer Richtungsentscheidung auf dem 47. Deutschen Psychotherapeutentag münden. Ziel sei es, der Politik ein durchdachtes evidenzbasiertes QS-Konzept vorlegen zu können – und die Qualitätssicherung der ambulanten Psychotherapie wieder in die Hände der Profession zu legen. „Wir verfügen über die wissenschaftliche Evidenz, über funktionierende Modelle und über das Engagement einer Berufsgruppe, die Qualität nicht als Pflicht, sondern als Teil ihrer Identität versteht“, so Metge. „Jetzt ist der Moment, diese Stärke sichtbar zu machen – mit einem Qualitätssicherungsansatz, der wirkt. Für die Patient*innen. Für die Versorgung. Für die Profession“.
In der Aussprache kritisierten die Delegierten den fehlenden Nutzen des QS-Verfahrens für die psychotherapeutischen Behandlungen und den enormen Zeitaufwand, der in den Praxen, aber auch in den anderen beteiligten Einrichtungen sowie den Fachkommissionen entstehe. Es stelle sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Erprobung, wenn die Mängel in so eklatanter Weise schon im Vorfeld deutlich geworden seien. Betroffene Delegierte aus NRW beklagten darüber hinaus die noch immer ungeklärte Frage der Refinanzierung ihrer Kosten für die Teilnahme an der Erprobung. Es könne nicht sein, dass ihnen durch die Verpflichtung zur Teilnahme an der Erprobung wertvolle Behandlungszeit verloren gehe und sie auch auf den Kosten sitzen blieben.
Die Darstellung der Monitoring- und Feedbackansätze und der damit verbundene Fokus auf wirksame Maßnahmen der internen Qualitätssicherung, die der einzelnen Patientenbehandlung nützen, fand dagegen Anklang bei den Delegierten. Eine Teilnehmerin wies darauf hin, dass die positive Wirkung der QS-Systeme nur gewährleistet sei, wenn sie auf Freiwilligkeit und nicht auf Kontrolle und Sanktionen beruhe. Auf Nachfrage erläuterte Volz, dass alle Monitoring- und Feedbacksysteme für die ambulanten Praxen darauf ausgelegt seien, den Aufwand für die Psychotherapeut*innen gering zu halten, und somit weit entfernt seien von dem der Instrumente des IQTIG. Auch beim QSP-Projekt liege der Fokus auf digitalen Patienteneinschätzungen, die den Psychotherapeut*innen unmittelbar zur Verfügung stünden. Instrumente der Einschätzung der Psychotherapeut*innen seien optional zusätzlich nutzbar.
Eine Delegierte berichtete von der Anwendung des Monitoring- und Feedbacksystems in ihrer Praxis, das nicht zeitaufwendig sei und das sie für die Qualität der eigenen Arbeit als unterstützend erlebe.
Von anderer Seite kam der Hinweis, dass eine kontinuierliche Versorgungsforschung zu den Systemen notwendig sei, um die Erfahrungen aus der Routineanwendung für weitere Optimierungen nutzen zu können. Ferner wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, Lösungen für Patient*innen mit Sprachbarrieren oder aus Minderheiten zu entwickeln, also Fragebögen in verschiedenen Fremdsprachen oder auch in einfacher Sprache vorhalten zu können, damit alle Patient*innen in ihren Behandlungen von dieser Form der Qualitätssicherung profitieren können. Auch die Entwicklungsperspektiven im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie kam zur Sprache. Volz wies auf entsprechende Entwicklungen im QSP-Projekt und bei anderen Feedbacksystemen hin und betonte die höhere Komplexität, die dadurch entstehe, dass hierbei mit den Bezugspersonen regelhaft mehrere Perspektiven berücksichtigt werden müssten.
Die Delegierten betonten die Notwendigkeit, die Qualitätssicherung in der Psychotherapie wieder in die eigene Hand zu nehmen und selbst auszugestalten. Sie begrüßten die Initiative des BPtK-Vorstands, einen professionseigenen QS-Ansatz als Alternative zu entwickeln, und forderten den Vorstand auf, schon jetzt mit der Politik zu sondieren, ob und unter welchen Voraussetzungen die Politik bereit sei, den gesetzlichen Auftrag zu streichen und stattdessen auf einen professionseigenen Ansatz in der Qualitätssicherung der ambulanten Psychotherapie zu setzen.
BPtK-Vizepräsident Melcop betonte, dass die Aussprache mit den Delegierten deutlich gemacht habe, dass eine interne Qualitätssicherung einer externen Qualitätssicherung vorzuziehen ist, wenn ihre Wirksamkeit nachgewiesen sei. Qualitätssicherung müsse auf Grundlage einer breiten Akzeptanz in der Profession erfolgen. Dafür brauche es die Diskussionen zu einem alternativen professionseigenen QS-Ansatz und die Zeit, um die Kolleg*innen in diesem Prozess mitzunehmen. Er notiere sich aber auch den Auftrag, dass sich der Berufsstand zeitnah auf den Weg machen und jetzt schon geeignete Lösungen sondieren müsse.
BPtK-Präsidentin Benecke konstatierte abschließend, dass der Politik die Mängel des QS-Verfahrens nicht unbekannt seien. Dies allein werde aber voraussichtlich nicht zur Streichung des gesetzlichen Auftrags führen. Sie dankte den Delegierten für die deutlich gewordene Zustimmung zur Entwicklung eines professionseigenen QS-Ansatzes als Alternative zum gerade in NRW erprobten Verfahren und verwies darauf, dass dieses Thema beim nächsten DPT erneut Gegenstand intensiver Beratungen werden solle.
Psychosoziale Notfallversorgung stärken – Profession vorbereitet in Krisenfällen
Naturkatastrophen, andere Großschadensereignisse, Attentate, aber auch die veränderte sicherheitspolitische Lage rücken den Zivil- und Katastrophenschutz verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit des Berufsstands. Der gesundheitliche Bevölkerungsschutz muss gestärkt werden. Dass Psychotherapeut*innen dabei eine zentrale Rolle einnehmen, erläuterte BPtK-Vizepräsidentin Sabine Maur. Psychotherapeut*innen seien im Krisenfall Teil des Katastrophenschutzes und dieser wiederum sei integraler Bestandteil des Zivilschutzes. Die Frage sei daher nicht, ob, sondern wann, wo und wie sich Psychotherapeut*innen beteiligen. Die Profession sei gefordert, Verantwortung zu übernehmen – koordiniert, qualifiziert und flächendeckend.
So habe beispielsweise die Flutkatastrophe im Ahrtal (2021) deutlich gezeigt: Die Profession ist handlungsfähig. Auf der Grundlage bestehender Kontakte zur Politik konnte schnell reagiert und informiert werden. Mit Hilfe des Opferbeauftragten des Landes Rheinland Pfalz und der Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz wurden kurzfristig psychotherapeutische Sprechstunden über eine Hotline vermittelt. In Zusammenarbeit mit dem Opferbeauftragten, dem Landesgesundheitsministerium und der Psychotherapeut*innen-Initiative „Soforthilfe Psyche“ wurden Gruppenangebote vor Ort organisiert – für Betroffene ebenso wie für Institutionen, die mit traumatisierten Menschen arbeiteten. Doch es fehlten koordinierte Strukturen. Neue Ideen ließen sich ad hoc kaum umsetzen. Der Übergang von der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) in die Regelversorgung war nicht strukturiert. Das sei ein zentrales Problem – besonders für Patient*innen mit Traumafolgestörungen, die auf psychotherapeutische Unterstützung angewiesen sind.
»Bis heute gibt es keine geregelte Schnittstelle zwischen PSNV und dem Gesundheitssystem“, mahnte Maur. Notwendig sei ein koordinierter Übergang in die psychotherapeutische Regelversorgung. Dazu müssten alle Akteur*innen Kenntnis der jeweils anderen Systeme haben, inklusive der relevanten Ansprechpartner*innen in Ministerien, Behörden, Kammern, Kassenärztlichen Vereinigungen, Kliniken, Krankenkassen und weiteren Institutionen. Auch für Betroffene müssten klare Informationen sowie konkrete Hilfen bei der Suche nach geeigneter Unterstützung gesichert werden. „Strukturelle Lösungen sind gefragt. Es darf nicht vom Zufall oder vom persönlichen Engagement Einzelner abhängen, ob Hilfe vor Ort funktioniert. Es braucht klare Zuständigkeiten, geregelte Abläufe und definierte Ansprechpartner*innen – auch in den Kammern“, forderte Maur. Wenn psychotherapeutische Praxen zerstört oder nicht erreichbar sind, müsse sichergestellt werden, dass Behandlungen auch an alternativen Orten – z. B. in Gemeindezentren – stattfinden können und abgerechnet werden dürfen. Hier seien rechtssichere Lösungen erforderlich, die im Krisenfall greifen. Gleichzeitig sei zu bedenken, dass in Katastrophenfällen viele Menschen gleichzeitig betroffen sind. Das erfordere eine gezielte Mengensteuerung, um den hohen Bedarf in kurzer Zeit auffangen zu können. Qualifizierte PSNV sei dafür essenziell. Die Profession stehe in der Verantwortung, sich gegen nicht fachlich legitimierte Angebote abzugrenzen. Qualität müsse auch in der Krise gesichert bleiben.
Maur berichtete, dass eine interministerielle Arbeitsgruppe beim Bundesgesundheitsministerium ihre Arbeit aufgenommen habe, um den Zivil- und Katastrophenschutz angesichts der neuen Herausforderungen zukunftsfähig aufzustellen. Die BPtK war beim Auftakttreffen vertreten und werde sich aktiv in den Prozess einbringen. Ziel sei es, die Rolle der Psychotherapeutenschaft im Katastrophenschutz strukturell zu verankern – mit klaren Zuständigkeiten, angepassten Versorgungskonzepten und gesicherter Finanzierung. Auch die Bundeswehr habe in Krisenfällen Bedarf an ziviler Unterstützung. Ein handlungsfähiges Gesundheitssystem, das auch unter Extrembedingungen funktioniert, sei Teil gesamtgesellschaftlicher Resilienz und auch verteidigungspolitischer Abschreckung.
Das Attentat auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg (Dezember 2024) habe gezeigt, wie gut koordinierte psychosoziale Versorgung gelingen kann. Dr. Sabine Ahrens-Eipper (Vizepräsidentin der OPK) berichtete, dass durch enge Kooperation – insbesondere mit den Kassenärztlichen Vereinigungen, Unfallkassen und Ministerien – allen Betroffenen rasch Behandlungsplätze angeboten werden konnten. Auch Schulen und Kindergärten wurden einbezogen. „Die länderübergreifende Struktur der OPK war hier ein klarer Vorteil: Krisen machen nicht an Ländergrenzen halt – Versorgung darf es auch nicht“, so Ahrens-Eipper. Ziel müsse daher sein, in allen Bundesländern ein vergleichbares Niveau an PSNV-Strukturen zu etablieren. Nur so könne professionelle Hilfe schnell, abgestimmt und wirksam erfolgen. Psychotherapeut*innen wollen helfen. Dafür brauche es aber auch vorbereitende Maßnahmen, wie Konzepte für verschiedene Krisenszenarien (Naturkatastrophen, Anschläge, Landesverteidigungs- und Bündnisfälle), klare Kommunikationswege, verlässliche Ansprechpartner*innen in den Kammern, Informationen und Schulungen der Mitglieder sowie strukturelle Mechanismen, um Helfer*innen gezielt aktivieren zu können.
In der anschließenden Diskussion bekräftigten die Delegierten, dass die Profession sich aktiv in den Zivil- und Katastrophenschutz einbringen und die Aktivitäten intensivieren muss, um tragfähige kammerübergreifende Konzepte zu entwickeln. Die BPtK hat vor diesem Hintergrund bereits eine Plattform Psychosoziale Notfallversorgung zum Austausch und zur Zusammenarbeit mit den Landeskammern gegründet.
Delegierte beschließen Satzungsänderungen
Die Delegierten befassten sich auch mit Fragen zur Satzung der Bundespsychotherapeutenkammer und Geschäftsordnung der Deutschen Psychotherapeutentage, die von Wolfgang Schreck, Mitglied des Vorstandes der BPtK, und Dr. Jürgen Tripp, Sprecher der Satzungskommission, vorgestellt wurden.
Um die Abstimmungen über Anträge strukturierter und eindeutiger zu gestalten, wurde ein neues, zweistufiges Abstimmungsverfahren diskutiert, das im Falle mehrerer konkurrierender Anträge künftig zur Anwendung kommen soll. Zur Diskussion standen zwei Anträge mit unterschiedlicher Ausgestaltung dieses zweistufigen Abstimmungsverfahrens. Die Delegiertenversammlung ist letztlich dem Antrag der Satzungskommission und des BPtK-Vorstands gefolgt. Zukünftig wird in erster Stufe über jeden Antrag entschieden, um herauszufinden, welcher Antrag die meisten Stimmen erhält. Über den Antrag mit den meisten Stimmen wird sodann in zweiter Stufe abgestimmt.
Die Delegierten votierten außerdem für Satzungsänderungen und eine Änderung der Geschäftsordnung, womit die nach neuem Recht Approbierten in der Satzung und der Geschäftsordnung des DPT abgebildet werden. Diese Änderung war notwendig, um die Satzung an die geltende Rechtslage anzupassen und die Beteiligung aller approbierten Berufsangehörigen gleichwertig zu ermöglichen.
Die Beratungen zur Satzungsänderung hinsichtlich der Besetzung der Versammlungsleitung sowie zu den darin zu berücksichtigenden Berufsgruppen wurden nicht abgeschlossen. Die Delegierten entschieden, diesen Punkt auf den nächsten DPT zu vertagen.
Oliver Staniszewski als Vertreter der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen im Länderrat gewählt
Auf dem 46. DPT stand die Nachwahl für eine Position der Vertretung der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen im Länderrat an. Für dieses Amt kandidierte Oliver Staniszewski, der von den anwesenden Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen (KJP) für das Amt vorgeschlagen worden war. Er berichtete den Delegierten, dass er als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut seit 2000 in eigener Praxis niedergelassen und berufspolitisch tätig sei, unter anderem als Mitglied des BPtK-Ausschusses „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“. Die Delegierten wählten ihn mit großer Mehrheit als KJP-Vertreter im Länderrat. Er folgt auf Bernhard Moors.
In Gedenken an den plötzlich verstorbenen Bernhard Moors verabschiedeten sich die Delegierten von ihrem Kollegen, der sich mit großer Leidenschaft, langjährigem berufspolitischen Engagement und fundierter Expertise stets und unermüdlich für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und die Belange von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen eingesetzt und verdient gemacht hat.
Vom 46. DPT verabschiedete Resolutionen
Abschließend verabschiedeten die Delegierten die folgenden Resolutionen jeweils mit sehr großer Mehrheit:
- Mental Health in and for all Policies: Psychische Gesundheit nachhaltig fördern
- Qualifizierte Steuerung von Patient*innen durch Psychotherapeut*innen stärken!
- Datenschutz bei der elektronischen Patientenakte für Kinder und Jugendliche verbessern
- Psychotherapeutische Versorgung jetzt zukunftsfest aufstellen! Bedarfsplanung reformieren und Weiterbildung finanzieren!
- Das Gesundheitssystem krisenfest machen – Psychosoziale Notfallversorgung muss mitgedacht werden!
- Psychotherapie für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen stärken – Abstinenzgebot streichen
- Psychotherapeutische Expertise in somatischen Akutkrankenhäusern verankern
- Nutzung digitaler Medien bei Kindern und Jugendlichen – Seelische Gesundheit schützen!
- Sprachmittlung im Gesundheitswesen endlich gesetzlich verankern!
© BPtK/Fotos: Sandrino Donnhauser