QS-Verfahren Ambulante Psychotherapie
Das QS-Verfahren Ambulante Psychotherapie startet eine zunächst regionale Erprobung
Trotz anhaltender Kritik an methodischen und inhaltlichen Mängeln bei der Entwicklung des Qualitätssicherungsverfahrens Ambulante Psychotherapie hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) grünes Licht für eine sechsjährige Erprobungsphase in Nordrhein-Westfalen gegeben.
Am 18. Januar 2024 hat der Gemeinsame Bundesausschuss die Erprobung des Qualitätssicherungsverfahrens Ambulante Psychotherapie in der Region Nordrhein-Westfalen (KV Nordrhein und KV Westfalen-Lippe) beschlossen. Die Erprobung ist für einen Zeitraum von sechs Jahren – vom 1. Januar 2025 bis 31. Dezember 2030 – mit zwei zweijährigen Erfassungszeiträumen und einer anschließenden Evaluation des gesamten QS-Verfahrens vorgesehen. An der Erprobung teilnehmen müssen alle in Nordrhein-Westfalen niedergelassenen Psychotherapeut*innen (Leistungsberbringer*innen), die im Rahmen des GKV-Systems eine Kurzzeit- oder Langzeitpsychotherapie als Einzeltherapie für erwachsene Patient*innen erbringen. In das Verfahren eingeschlossen werden alle Therapien, die ab dem 1. Januar 2025 beendet werden, sofern der Therapiebeginn nach dem Datum des Inkrafttretens der Richtlinie liegt. Die beiden Erfassungszeiträume sind für 2025/2026 und 2027/2028 vorgesehen. Mindestens für den ersten Erfassungszeitraum sind Vergütungsabschläge als Sanktionen für Leistungserbringer*innen ausgeschlossen. Inwieweit dies auch für den zweiten Erfassungszeitraum gilt, soll im Verlauf der Erprobung entschieden werden.
Der G-BA-Beschluss wird nun vom BMG rechtlich geprüft. Das Ergebnis wird im 2. Quartal 2024 erwartet. Wird der Richtlinienbeschluss nicht beanstandet, tritt er nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Das Antrags- und Gutachterverfahren bleibt während der sechsjährigen Erprobung in NRW bundesweit weiterhin bestehen. Die ambulante Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, auch wenn sie bei 18-jährigen oder älteren Patient*innen durchgeführt wird, ist von der Erprobung des QS-Verfahrens ausgenommen.
Die Entwicklung des QS-Verfahrens geht auf den gesetzlichen Auftrag im Rahmen des Psychotherapeutenausbildungsreformgesetzes vom 15. November 2019 zurück, der den Beschluss eines datengestützten einrichtungsvergleichenden QS-Verfahrens für die ambulante Psychotherapie bis Ende 2022 vorsah. Zugleich sollen laut Gesetz sämtliche Regelungen des Antrags- und Gutachterverfahrens aufgehoben werden, sobald ein solches QS-Verfahren eingeführt worden ist. Das mit der Entwicklung des QS-Verfahrens beauftragte Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) hat im Zuge dessen zwei Instrumente konzipiert: zum einen eine fallbezogene QS-Dokumentation für Leistungserbringer*innen mit neun Qualitätsindiktoren zur Erfassung der Prozessqualität von Psychotherapie mit insgesamt 101 Datenfeldern, zum anderen eine Patientenbefragung mit neun Qualitätsindikatoren (zwei für die Ergebnisqualität, sieben für die Prozessqualität) und 43 Fragen, die erwachsene Patient*innen zeitnah nach Abschluss ihrer ambulanten Psychotherapie beantworten sollen.
Beide Instrumente zeichnen sich durch zahlreiche methodische und inhaltliche Mängel aus, die trotz fortlaufender Kritik seitens der BPtK, anderer Organisationen und Expert*innen in den Beteiligungsverfahren der letzten Jahre überwiegend nicht behoben wurden. Gleichwohl haben die Zweifel am QS-Verfahren neben den Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung angesichts der enormen Zahl an Leistungserbringer*innen den G-BA dazu veranlasst, das QS-Verfahren vor einer bundesweiten Einführung zunächst mehrjährig in einer Region zu erproben.
Aus Sicht der BPtK sind die vom IQTIG entwickelten Instrumente völlig ungeeignet, um die Qualität in der psychotherapeutischen Versorgung zu sichern und gezielte Verbesserungen für die individuellen Behandlungen oder die jeweiligen Praxen anzustoßen. Es ist vielmehr zu befürchten, dass sich das QS-Verfahren nachteilig auf die Patientenversorgung auswirkt. Und obwohl in den Entwicklungsberichten des IQTIG die Evidenz für Qualitätspotenziale in der ambulanten Psychotherapie vollkommen unzureichend geblieben ist, werden mit der fallbezogenen QS-Dokumentation mit einem enormen bürokratischen Aufwand überwiegend solche Prozesse in der Psychotherapie dokumentiert, die von der Profession breit anerkannte Qualitätsstandards darstellen (z. B. die Durchführung eines umfassenden diagnostischen Gesprächs oder die Aufklärung über die Behandlung und ihre Rahmenbedingungen vor Therapiebeginn). Die Umsetzung wird dadurch viel Zeit von Psychotherapeut*innen beanspruchen, die dringend für die Behandlung von Patient*innen benötigt wird.
Die Ergebnisse der Patientenbefragung werden den Leistungserbringer*innen zudem lediglich anonymisiert und zusammengefasst über all jene Patient*innen zurückgemeldet, die ihre Therapie in einem Zwei-Jahres-Zeitraum beendet haben. Da in der Psychotherapie behandelte Patient*innen eine sehr heterogene Gruppe darstellen, die sich hinsichtlich der Art, des Schweregrades und der Chronizität ihrer Erkrankungen sowie der Behandlungsdauer und des Behandlungsverfahrens stark unterscheiden, ist eine derartige Zusammenfassung der Ergebnisse weder sinnvoll noch zielführend. Belastbare Aussagen und gezielte Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung werden sich daraus für die einzelnen Praxen nicht ableiten lassen. Es ist auch nicht erkennbar, dass dieses QS-Verfahren im Rahmen der DeQS-Richtlinie so weiterentwickelt werden könnte, dass diese grundsätzlichen Defizite im Laufe der Erprobung behoben werden. Somit ist es aus Sicht der BPtK erforderlich, dass der derzeit bestehende gesetzliche Auftrag abgeschafft wird.
Veröffentlicht am 22. März 2024