Systemische Therapie Kinder und Jugendliche
Systemische Therapie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassen
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss am 18. Januar 2024, die Systemische Therapie als viertes Psychotherapieverfahren auch bei Kindern und Jugendlichen in die Psy-chotherapie-Richtlinie aufzunehmen. Gesetzlich versicherte Kinder und Jugendliche können voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte 2024 eine Systemische Therapie in Anspruch nehmen.
Psychische Erkrankungen haben vielfältige Ursachen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen können die sozialen Beziehungen, insbesondere die familiären Beziehungen, ein wichtiger Einflussfaktor für die Entstehung und Behandlung von psychischen Problemen und Beschwerden sein. Dennoch war die Systemische Therapie als das psychotherapeutische Verfahren, das schon immer einen besonderen Fokus auf den sozialen Kontext psychischer Erkrankungen und die Interaktionen zwischen Mitgliedern der Familie oder des Systems gelegt hat, in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen bislang keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Zugleich ist die Systemische Therapie in der Erziehungsberatung, der stationären Jugendhilfe und den kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser stark verbreitet und wird dort schon lange erfolgreich angewandt. Nun hat der Gemeinsame Bundesausschuss auf seiner Sitzung am 18. Januar 2024 beschlossen, die Systemische Therapie als viertes Psychotherapieverfahren auch bei Kindern und Jugendlichen in die Psychotherapie-Richtlinie aufzunehmen.
Anerkennung des Nutzens der Systemischen Therapie bei Kindern und Jugendlichen
Die Systemische Therapie für die Behandlung von Erwachsenen war bereits im November 2019 zugelassen worden. Vor diesem Hintergrund beantragte Dr. Monika Lelgemann, Unparteiische Vorsitzende des Unterausschusses Methodenbewertung des G-BA, im August 2021 die Bewertung der Systemischen Therapie bei Kindern und Jugendlichen. Mit der wissenschaftlichen Prüfung des Psychotherapieverfahrens bei Kindern und Jugendlichen wurde das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt. In seinem Abschlussbericht vom Januar 2023 bestätigte das Institut auf Basis der vorliegenden klinischen Studien den Nutzen der Systemischen Therapie insbesondere in den Anwendungsbereichen Angst- und Zwangsstörungen, Essstörungen, Hyperkinetische Störungen und substanzbezogene Störungen. Mit diesem breiten Anwendungsspektrum erfüllte die Systemische Therapie das so genannte Schwellenkriterium für die Zulassung als Psychotherapieverfahren und kann gemäß Psychotherapie-Richtlinie künftig bei Kindern und Jugendlichen in allen Anwendungsbereichen der Psychotherapie erbracht werden. Die ambulante psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen wird damit um eine wichtige Behandlungsmöglichkeit erweitert.
Anwendungsformen und Therapiekontingente
Die Systemische Therapie kann als Einzel- oder Gruppenpsychotherapie oder auch als Kombinationsbehandlung aus Einzel- und Gruppentherapie durchgeführt werden. Darüber hinaus ist auch das Mehrpersonen-Setting, bei dem relevante Bezugspersonen der Patient*in in die Behandlung einbezogen werden, als spezifische Anwendungsform der Systemischen Therapie möglich. Als Kurzzeittherapie kann die Systemische Therapie mit bis zu zweimal zwölf Therapiestunden durchgeführt werden; eine Langzeittherapie kann bis zu 48 Stunden umfassen.
Nächste Schritte
Innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung des G-BA-Beschlusses im Bundesanzeiger muss der Bewertungsausschuss die entsprechenden Anpassungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) vornehmen. Ferner sind die Qualifikationsanforderungen in der Psychotherapie-Vereinbarung zu regeln. Im Ergebnis wird die Systemische Therapie den gesetzlich versicherten Kindern und Jugendlichen voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte 2024 zur Verfügung stehen.
Qualifikationsanforderungen
Die Systemische Therapie bei Kindern und Jugendlichen kann in der vertragspsychotherapeutischen Versorgung von Psychotherapeut*innen erbracht werden, die für die psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen qualifiziert sind und eine Weiterbildung für bzw. eine Ausbildung im Vertiefungsverfahren Systemische Therapie abgeschlossen haben. Darüber hinaus müssen sie über die Genehmigung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zur Ausführung und Abrechnung der Systemischen Therapie bei Kindern und Jugendlichen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verfügen.
Erfolgreiches Ende einer langen Reise
Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie hatte bereits in seinem Gutachten vom Dezember 2008 die wissenschaftliche Anerkennung der Systemischen Therapie sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen festgestellt und die Zulassung als Vertiefungsverfahren für die Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeut*in und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in empfohlen. In der Folge wurde die Systemische Therapie 2011 als Bereichsweiterbildung in die Muster-Weiterbildungsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer aufgenommen. 2013 folgte dann die Einleitung des Bewertungsverfahrens zur Anerkennung der Systemischen Therapie – zunächst nur bei Erwachsenen, acht Jahre später endlich auch bei Kindern und Jugendlichen.
Veröffentlicht am 22. März 2024