Psychotherapeutische Versorgung
Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung vulnerabler Patientengruppen
Neue Ermächtigungsregelung in Kraft getreten
Die Verbesserung der Versorgung von Patient*innen mit schweren psychischen Erkrankungen war ein wichtiges Vorhaben der vergangenen Legislaturperiode, das mit dem vorzeitigen Aus der Ampel-Koalition zu versanden drohte. Die Bundespsychotherapeutenkammer konnte sich jedoch beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erfolgreich dafür einsetzen, den ursprünglich im Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes vorgesehenen neuen Ermächtigungstatbestand für die psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung vulnerabler Patientengruppen über eine isolierte Änderung der Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) auf den Weg zu bringen. Diese Änderung der Ärzte-ZV fand im Februar die Zustimmung im Bundesrat und ist zum 20. Februar 2025 in Kraft getreten.
Psychotherapeut*innen sind zu ermächtigen
Psychotherapeut*innen haben damit, soweit sie Voraussetzungen erfüllen, einen Anspruch auf Ermächtigung zur ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung bei drei besonders vulnerablen Patientengruppen. Die Zulassungsausschüsse haben insoweit bei ihrer Entscheidung keinen Ermessensspielraum. Der Ermächtigungstatbestand beschränkt sich dabei konkret auf die psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung von Patient*innen, die intellektuell beeinträchtigt sind (insbesondere Menschen mit geistiger Behinderung), unter einer bestehenden Suchterkrankung leiden oder aufgrund eines erheblich eingeschränkten Funktionsniveaus sozial benachteiligt sind. Letztere werden in der Begründung ausdrücklich über den Grad der Beeinträchtigung des allgemeinen Funktionsniveaus definiert. Hierbei wird analog den Regelungen in der KSVPsych-Richtlinie auf erhebliche Einschränkungen des psychosozialen Funktionsniveaus mit einem GAF-Wert (Global Assessment of Functioning) von höchstens 50 abgestellt.
Verpflichtende Kooperationsvereinbarungen mit geeigneten Einrichtungen
Voraussetzung für die Ermächtigung ist, dass die beantragende Psychotherapeut*in eine Kooperationsvereinbarung mit einem Sozialpädiatrischen Zentrum, einem nach § 119c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ermächtigten Medizinischen Behandlungszentrum (MZEB), einer Einrichtung der Suchthilfe, der Krisenhilfe oder der Sozialpsychiatrischen Dienste oder einer vergleichbaren Einrichtung nachweisen kann.
Damit fördert der neue Ermächtigungstatbestand den gezielten Aufbau zusätzlicher psychotherapeutischer Behandlungskapazitäten, die ausschließlich denjenigen Patientengruppen zugutekommen, die es bislang oft besonders schwer haben, einen niedrigschwelligen Zugang zur Versorgung zu erhalten. Die verpflichtenden Kooperationsvereinbarungen setzen zugleich wichtige Impulse für eine stärkere Vernetzung mit geeigneten Einrichtungen und Diensten auch jenseits des SGB V und eine abgestimmte, multiprofessionale Versorgung dieser benachteiligten Patientengruppen.
Die inhaltlichen Anforderungen an die Kooperationsvereinbarung werden in der Verordnung nicht näher spezifiziert. In der Begründung zur Änderung der Ärzte-ZV wird jedoch erläutert, dass in der Kooperationsvereinbarung zum Beispiel geregelt werden kann, dass die Patient*innen über bestehende Angebote informiert werden und neben den regulären Zugangsmöglichkeiten über eine direkte Kontaktaufnahme zur Leistungserbringer*in auch eine niedrigschwellige Vermittlung seitens der Kooperationseinrichtungen an die ermächtigten Psychotherapeut*innen erfolgt. Gegenstand der Kooperationsvereinbarung kann es auch sein, dass die psychotherapeutischen Behandlungen aufsuchend in den Räumlichkeiten der kooperierenden Einrichtung stattfinden können. Außerdem kann die Einbindung der ermächtigten Psychotherapeut*in in eine multiprofessionelle Netzwerkstruktur, wie zum Beispiel einen gemeindepsychiatrischen Verbund, vereinbart werden.
Verbesserung der Versorgung von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen
Der Ermächtigungstatbestand umfasst ausdrücklich auch die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Für die Patientengruppe, die aufgrund eines erheblich eingeschränkten Funktionsniveaus sozial benachteiligt ist, sollte sich dabei die Schwere der Beeinträchtigung des Funktionsniveaus ebenfalls an den Kriterien der KJ-KSVPsych-Richtlinie orientieren. Demnach ist mindestens eine ernsthafte soziale Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus gemäß den Stufen vier bis acht auf der sechsten Achse des Multiaxialen Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 (MAS) Voraussetzung für die Teilnahme an der Versorgung.
Als Kooperationseinrichtungen kommen im Bereich der Versorgung von Kindern und Jugendlichen neben den in der Verordnung explizit genannten Sozialpädiatrischen Zentren insbesondere auch Einrichtungen der Jugendhilfe in Betracht, die in der Begründung ausdrücklich als ein Beispiel für vergleichbare Einrichtungen aufgeführt werden. Gerade für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche in der stationären Jugendhilfe spielen aufsuchende psychotherapeutische Behandlungsangebote eine zentrale Rolle, damit ein niedrigschwelliger Zugang zu und eine kontinuierliche Nutzung der erforderlichen Behandlungsmaßnahmen gelingen kann.
Veröffentlicht am 01. April 2025