Gesundheitspolitik
Quo vadis Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz?
Vor der parlamentarischen Sommerpause hatte die Diskussion um das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz so richtig Fahrt aufgenommen.
Doch von der Eilbedürftigkeit, mit der der Gesetzentwurf parallel in die ersten Lesungen in Bundesrat und Bundestag gegeben wurde, ist aktuell nur noch wenig zu spüren. Der Zeitplan gerät erneut ins Wanken, es steht noch kein Termin für eine öffentliche Anhörung fest. Ob ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens noch in diesem Jahr erzielt werden kann, ist ungewiss. Bundesminister Lauterbach priorisiert indes die Krankenhaus- und Notfallreform, das Gesunde-Herz-Gesetz und das Gesetz zur Errichtung eines Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit als vorrangige Projekte.
Finanzlage erschwert Reformen
Dabei ist die Zukunft der ambulanten Versorgung kein Thema, das auf die lange Bank geschoben werden kann. Um die Gesundheitsversorgung vor Ort zu stärken, muss der Gesetzentwurf jedoch wieder an Substanz gewinnen und auch Probleme angehen, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Und das ist nach wie vor der neuralgische Punkt. Welche Reformen kann oder muss man sich leisten?
Erschwerend kommt hinzu, dass es den Extragroschen nicht mehr gibt. Bundesfinanzminister Lindner hält an der „Schwarzen Null“ fest und hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach gleich eine doppelte Absage erteilt: keine zusätzlichen Bundesmittel für den Gesundheitsfonds im Bundeshaushalt 2025 und keine Reformprojekte, die nicht gegenfinanziert sind. Die Finanzmittel der gesetzlichen Krankenversicherung schmelzen indes rapide ab, es gibt keine Reformvorschläge für eine nachhaltige GKV-Finanzierung und die Versichertenbeiträge müssen wohl oder übel erhöht werden. Eine Problematik, die nicht nur das GVSG überschattet, sondern alle Reformvorhaben aus dem Hause Lauterbach.
Ist der Bundesrat Wegweiser für die Verhandlungen?
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme eine lange Liste an Verbesserungsvorschlägen aufgeführt. Darunter auch eine Wiederaufnahme der Regelungen zu Gesundheitskiosken, Gesundheitsregionen und Primärversorgungszenten, die der Bundesminister aus dem Entwurf streichen musste, um ihn durch das Kabinett zu bekommen. Der Bundesrat bleibt aber auch bei den psychotherapeutischen Top-Themen am Ball: Die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung will er für Praxen, Medizinische Versorgungszentren, Weiterbildungsambulanzen und Kliniken mit dem GVSG gesichert wissen, insbesondere auch mit Blick auf die Refinanzierung von Supervision, Selbsterfahrung und die Vermittlung spezifischer Fachkenntnisse. Die Ermächtigungen für die psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung von vulnerablen Patientengruppen sollen nach Auffassung des Bundesrates auch explizit für Kinder und Jugendliche geschaffen werden. Bei den Regelungen zu Primärversorgungszentren schlägt der Bundesrat vor, dass psychotherapeutische Expertise explizit vorgesehen werden soll. Die Bundesregierung lehnt jedoch viele Vorschläge des Bundesrates ab, sie plant, die oben genannten Vorschläge zu prüfen, mit einer Ausnahme: Bei der Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung sieht sie keinen weiteren Handlungsbedarf.
Investition in Fachkräfte lohnt sich
Was heißt das für die Weiterentwicklung der psychotherapeutischen Versorgung und der Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung? Die Parlamentarier*innen wollen den Gesetzentwurf weiter ausgestalten. Das GVSG in seiner jetzigen Fassung ist ein Minimalkonsens. Es geht nicht darum, noch mehr Fleisch vom GVSG-Gerippe herunterzuschneiden. Vielmehr werden die Parlamentarier*innen austarieren müssen, wo es Pölsterchen benötigt, um es final verabschieden zu können. Die Regelungen zur Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung sind nicht ausreichend und unvollständig, um die Weiterbildung in Praxen, Medizinischen Versorgungszentren, Weiterbildungsambulanzen und Kliniken zu sichern und genügend Weiterbildungsstellen zu schaffen. Und: Die Investition in die psychotherapeutische Weiterbildung verhindert nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern ist auch eine Investition in die Sicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung vor Ort. Sie kommt direkt bei den Menschen an: bei den Patient*innen mit psychischen Erkrankungen und bei jungen Fachkräften, die die Versorgungsverantwortung auch zukünftig übernehmen wollen.
Veröffentlicht am 10. Oktober 2024