DPT
45. Deutscher Psychotherapeutentag in Berlin
Am 15. und 16. November 2024 fand in Berlin der 45. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) statt.
Gleich zum Auftakt der Bundesdelegiertenversammlung – und nur wenige Tage nach dem Scheitern der Ampelregierung – wandte sich BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke mit einem Appell an die politisch Verantwortlichen: „Das Hinauszögern der Gesetzgebung für psychisch kranke Menschen, das wir in den letzten drei Jahren erleben mussten, geht mit dem Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition voll zulasten der Menschen mit psychischen Erkrankungen.“ Dass somit keinerlei Verbesserungen für die Versorgung erreicht und auch die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung nicht mehr abgesichert werde, sei fatal. Benecke appellierte an die politisch Verantwortlichen, jetzt wahltaktische Interessen zum Wohle der Versorgung psychisch kranker Menschen zu überwinden und im Parlament noch wesentliche Reformvorhaben zu beschließen. Nach Neuwahlen müssten nicht umgesetzte Reformvorhaben rasch vorangetrieben werden.
Die Delegierten dankten dem Vorstand für die breitgefächerten Aktivitäten und den großen Einsatz in der Bundespolitik. Das zentrale Thema der Aussprache war die fehlende Finanzierung der Weiterbildung. Der große Einsatz der Studierenden wurde von allen gewürdigt.
Gemeinsame Lösungen für die psychotherapeutische Versorgung
Man müsse darüber sprechen, wie man die ambulante Versorgung stärken könne, eröffnete Prof. Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses, seinen Vortrag. Er sei zuversichtlich, dass die separate Beplanung der psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen auch im nächsten Koalitionsvertrag verankert werde. Hecken zufolge sei es grundsätzlich illusorisch zu glauben, dass die Psychotherapeut*innen in der Stadt die Speckgürtel mitversorgten. Hier und in den ländlichen Regionen müssten die Verhältniszahlen in der Bedarfsplanung maßvoll angepasst werden. Man müsse sich auch Gedanken darüber machen, wie man Patient*innen ohne Therapieplatz den Zugang zur Versorgung ermöglichen kann. Hecken gehe es nicht darum, Psychotherapeut*innen vorzuwerfen, sie behandelten die falschen Patient*innen. Es gehe um gute Lösungen für die Versorgung akuter Fälle, die bisher im Gesundheitswesen unter- oder sogar unversorgt blieben. Er lud die Profession ein, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, wie für bestimmte schwer oder akut erkrankte Patient*innen gezielt Behandlungskapazitäten geschaffen werden können. Das erfordere eine differenzierte Einschätzung und eine ausgefeilte Steuerung, damit die Patient*innen in die richtige Versorgungsform und -ebene geleitet würden.
Nachbesserungsbedarf sah Hecken auch bei der ambulanten Komplexversorgung. Damit sich mehr Netzverbünde bilden können, müssten insbesondere die halben Versorgungsaufträge einbezogen, die Teamgröße angepasst und die Vorgabe zur Einbindung der Krankenhäuser überdacht werden. Die Richtlinie bei Kindern und Jugendlichen könne dafür als Vorbild dienen.
Qualitätssicherung in Psychotherapie und Psychiatrie
Es schaffe keine Akzeptanz, so Hecken mit Blick auf das QS-Verfahren ambulante Psychotherapie, wenn man Aspekte abfrage, die für die Versorgung irrelevant seien, oder an Indikatoren festhalte, die nur bereits etablierte Standards abbildeten. Keine Qualitätssicherung in der Psychotherapie sei aber auch keine Option. Hecken ermutigte die Profession, sich beim QS-Verfahren zur ambulanten Psychotherapie unter Rückgriff auf den Innovationsfonds um eine unabhängige externe Evaluation zu bemühen und dabei gegebenenfalls auch alternative Ansätze zu untersuchen.
Zur PPP-Richtlinie konstatierte Hecken, dass seit ihrem Inkrafttreten die ohnehin geringen Anforderungen, für die der Gemeinsame Bundesausschuss seinerzeit scharf kritisiert worden sei, nicht erfüllt würden. Er kündigte an, dass er die Ergebnisse der EPPIK-Studie zum Plattform-Modell für die Weiterentwicklung der Richtlinie nutzen werde und bei Nicht-Erfüllung der Qualitätsanforderungen Sanktionen vorsehen wolle.
Klinikversorgung für Patient*innen zukunftsfest und flexibel ausgestalten
Über Perspektiven der Klinikversorgung von psychisch erkrankten Menschen referierte Prof. Dr. Tom Bschor, Leiter und Koordinator der Regierungskommission Krankenhausversorgung. Anders als in anderen Bereichen gebe es im Krankenhaus seit Jahrzehnten Personaluntergrenzen. Es mangele vor allem bei der pflegerischen und ärztlichen Versorgung an Fachkräften. Psychotherapeut*innen könnten mehr Verantwortung übernehmen, um den Fachkräftemangel auszugleichen. In einigen Kliniken übernehmen Psychotherapeut*innen bereits Nacht- und Notdienste. Dies sei aber noch nicht flächendeckend der Fall. Er kritisierte, dass die Patientenversorgung viel zu unflexibel sei. Klinik, Psychiatrische Institutsambulanz (PIA), stationsäquivalente Behandlung, Modellprojekte und ambulanter Bereich müssten stärker ineinandergreifen. Die Patient*in solle das Angebot erhalten, das er oder sie brauche. Das Globalbudget sei ein geeignetes Mittel, um regionale Versorgung sektorenübergreifend zu gestalten. Die PIA müssten nach dem bayerischen Modell weiterentwickelt werden und eine Einzelleistungsvergütung erhalten. Bschor sah hier keine Konkurrenz zum niedergelassenen Bereich, denn die hohe Anzahl an Patient*innen sei nur gemeinsam zu bewältigen. Zudem könne die Einzelleistungsvergütung die Bedeutung der psychotherapeutischen Versorgung und die Stellung der Psychotherapeut*innen in den PIA, inklusive der Abbildung der psychotherapeutischen Befugnisse, stärken.
Die Delegierten forderten in der folgenden Diskussion, dass die psychotherapeutischen Kompetenzen in den Kliniken endlich äquivalent zum ambulanten Bereich abgebildet werden. Bschor unterstützte dies.
Gebührenordnung für Psychotherapeut*innen
BPtK-Vizepräsident Dr. Nikolaus Melcop erläuterte den dringenden Novellierungsbedarf bei der Gebührenordnung für Psychotherapeuten (GOP) und der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), auf die die GOP verweise. Das Bundesgesundheitsministerium komme seiner Aufgabe als Verordnungsgeber seit über einem Vierteljahrhundert nicht nach. Hier müsse die neue Bundesregierung in die Pflicht genommen werden.
Angesichts der aktuellen Situation sei er sehr froh, dass es der BPtK gelungen sei, nach längeren Verhandlungsrunden mit dem PKV-Verband und der Beihilfe als eine Art Brückenlösung zusammen mit der Bundesärztekammer gemeinsame Abrechnungsempfehlungen für neue psychotherapeutische Leistungen zu vereinbaren. Hierdurch könnten nun Leistungen wie die Sprechstunde, die Akutbehandlung, aber auch die Kurzzeittherapie als Einzel- und Gruppenbehandlung für Privatversicherte und Beihilfeberechtigte erbracht und bei deutlich verbesserter Vergütung abgerechnet werden. Auch für diagnostische Leistungen, Kurzinterventionen oder die Einbindung von Digitalen Gesundheitsanwendungen in die psychotherapeutische Behandlung seien gute Lösungen gefunden worden.
Weiterbildung umsetzen, um die Ausbildungsreform zu beenden
Ein weiteres zentrales Thema des DPT war die Finanzierung der Weiterbildung. Cornelia Metge, Mitglied im BPtK-Vorstand, wies in ihrer Einführung auf das große Engagement der gesamten Profession hin, die Ausbildungsreform jetzt mit der Weiterbildung von Psychotherapeut*innen zu vollenden. Studierende, Psychotherapeut*innen in Ausbildung, Verbände und Landespsychotherapeutenkammern hätten sich geschlossen für gemeinsam entwickelte Lösungen zur Finanzierung der Weiterbildung eingesetzt. Das Scheitern der Ampelkoalition sei kurz vor Gesetzesbeschlüssen deshalb für die Profession ein Tiefschlag,
Die neue Weiterbildung werde bundesweit von den Psychotherapeutenkammern geregelt. Auch die neuen BPtK-Weiterbildungsgremien hätten ihre Arbeit bereits aufgenommen. Die Zahl zugelassener Weiterbildungsstätten, zugelassener Weiterbildungsbefugter sowie laufender Zulassungsanträge steige stetig. Alle Fachgebiete und alle Versorgungsbereiche seien abgedeckt. Das gemeinsame Wirken von BPtK und Landeskammern sowie der ständige Austausch mit den Trägern und Verbänden potenzieller Weiterbildungsstätten zahle sich aus. Trotzdem müssten an vielen Stellen dicke Bretter gebohrt werden, vor allem im institutionellen Bereich. Gleichzeitig bedeute eine Zulassung als Weiterbildungsstätte nicht automatisch, dass Weiterbildungsstellen angeboten werden können. Viele Zulassungen erfolgten unter dem Vorbehalt, dass die Stätten den Psychotherapeut*innen in Weiterbildung ein angemessenes Gehalt zahlen könnten.
Die Profession müsse sich darauf einstellen, dass die Bundespolitik ihrer Verantwortung für die Finanzierung der Weiterbildung in dieser Legislaturperiode nicht mehr gerecht werde. Unter diesen Umständen müsse gemeinsam nach angemessenen Lösungen gesucht werden. Die BPtK werde dazu allen Beteiligten ein Verfahren vorschlagen.
Den ausführlichen Bericht zum DPT finden Sie auf unserer Webseite unter: https://www.bptk.de/psychotherapeutentag/45-deutscher-psychotherapeutentag/
Veröffentlicht am 17. Dezember 2024