BPtK-Auswertung: Monatelange Wartezeiten bei Psychotherapeut*innen
Corona-Pandemie verschärft das Defizit an Behandlungsplätzen
Psychisch kranke Menschen müssen weiterhin monatelang auf einen Behandlungsplatz bei einer niedergelassenen Psychotherapeut*in warten. „Die Coronakrise verschärft den Mangel an Behandlungsplätzen“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Es rächt sich jetzt, dass die Krankenkassen seit Jahren die Zulassung einer ausreichenden Anzahl von psychotherapeutischen Praxen blockieren.“
BPtK-Auswertung von 300.000 Versichertendaten für das Jahr 2019
Nach einer BPtK-Auswertung von über 300.000 Versichertendaten für das Jahr 2019 warten rund 40 Prozent der Patient*innen mindestens drei bis neun Monate auf den Beginn einer Behandlung, wenn zuvor in einer psychotherapeutischen Sprechstunde festgestellt wurde, dass sie psychisch krank sind und deshalb behandelt werden müssten. Damit wartet fast die Hälfte von psychisch kranken Menschen inakzeptabel lange auf eine notwendige Behandlung.
Dabei beginnt nur die Hälfte der Patient*innen nach einer psychotherapeutischen Sprechstunde eine Behandlung. Knapp 20 Prozent von ihnen benötigt eine besonders dringende Akutbehandlung. Von den Patient*innen, die eine Behandlung brauchen, beginnen über 80 Prozent eine Kurzzeittherapie von höchstens 24 Stunden. Nur knapp 15 Prozent beginnen direkt eine Langzeittherapie oder verlängern innerhalb der untersuchten 15 Monate die Kurzzeittherapie.
Hintergrund: Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie hat die psychischen Belastungen in der Bevölkerung massiv erhöht. Insbesondere während der zweiten Corona-Welle nahmen die Anfragen bei niedergelassenen Psychotherapeut*innen massiv zu. Nach einer Umfrage der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung vom Januar 2021 erhielten niedergelassene Psychotherapeut*innen deutlich mehr Anfragen als im Januar 2020. Stellten Patient*innen im vergangenen Jahr im Schnitt 4,9 Anfragen pro Woche, waren es 2021 6,9. Allein der Anteil an Psychotherapeut*innen, die mehr als zehn Anfragen pro Woche erhielten, verdoppelte sich dabei. Nur zehn Prozent der Anfragenden konnten innerhalb eines Monats einen Behandlungsplatz erhalten. Knapp 40 Prozent mussten länger als sechs Monate warten.
BPtK-Forderung: Kurzfristige Corona-Soforthilfe
Es ist zu erwarten, dass das ganze Ausmaß der psychischen Folgen erst nach einem Lockdown-Ende sichtbar wird. Die BPtK fordert deshalb eine Corona-Soforthilfe für psychisch kranke Menschen. Das Angebot an psychotherapeutischer Beratung und Behandlung muss kurzfristig deutlich ausgeweitet werden. Deshalb sollten auch Privatpraxen bis Ende des Jahres grundsätzlich Menschen mit psychischen Beschwerden und Erkrankungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung versorgen können. Die Kassen müssen verpflichtet werden, die Kosten ohne bürokratische Hürden zu erstatten.
BPtK-Forderung: Langfristig mehr Praxen zulassen
Auf Dauer ist eine erneute Reform der Bedarfsplanung notwendig. „Fast jeder zweite psychisch kranke Mensch muss drei bis neun Monate auf den Beginn einer Behandlung warten“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Die Politik sollte endlich das Leid der psychisch kranken Menschen ernst nehmen. Insbesondere außerhalb von Großstädten und im stark unterversorgten Ruhrgebiet müssen erheblich mehr psychotherapeutische Praxen zugelassen werden, damit Menschen, bei denen in einer psychotherapeutischen Sprechstunde eine psychische Erkrankung festgestellt wurde, auch innerhalb von vier Wochen eine Behandlung aufnehmen können.“
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Veröffentlicht am 29. März 2021