BPtK: geplantes QS-Verfahren ambulante Psychotherapie nachteilig für Patientenversorgung
Gemeinsamer Bundesausschuss beschließt Erprobung
»Das geplante QS-Verfahren ambulante Psychotherapie wird keine Qualitätsverbesserungen bringen, sondern sich sogar nachteilig auf die Patientenversorgung auswirken. Die Umsetzung wird viel Zeit von Psychotherapeut*innen in Anspruch nehmen, die dringend für die Behandlung von Patient*innen benötigt wird“, kritisiert Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Die vom IQTIG für das QS-Verfahren entwickelten Instrumente sind schlicht ungeeignet, um die Qualität in der psychotherapeutischen Versorgung zu sichern und Verbesserungen anzustoßen. Allein durch die Erprobung entstehen schon enorme Kosten“, ergänzt Vizepräsident Dr. Nikolaus Melcop.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte den gesetzlichen Auftrag, bis Ende 2022 ein datengestütztes, einrichtungsvergleichendes QS-Verfahren in der ambulanten Psychotherapie einzuführen. Vor diesem Hintergrund war das IQTIG beauftragt worden, die Instrumente für ein solches QS-Verfahren für erwachsene Patient*innen zu entwickeln, die eine Richtlinienpsychotherapie erhalten. Wissenschaftler*innen kritisierten jedoch mehrfach und umfassend die Instrumente der fallbezogenen Dokumentation durch die Psychotherapeut*innen und die Patientenbefragung. „Die zahlreichen methodischen und inhaltlichen Zweifel an diesem Verfahren haben letztlich den G-BA dazu veranlasst, erstmals eine mehrjährige Erprobung eines QS-Verfahrens vorzusehen, ehe es bundesweit ausgerollt werden soll“, erläutert Dr. Melcop. Das QS-Verfahren soll laut G-BA-Beschluss ab 2025 über sechs Jahre in Nordrhein-Westfalen als Modellregion erprobt werden.
Allein für die QS-Dokumentation sind bei jeder Patient*in über 100 Datenfelder überwiegend per Hand auszufüllen, um insgesamt neun Qualitätsindikatoren zu berechnen. „Obwohl die Evidenz für die vermeintlichen Qualitätspotenziale vollkommen unzureichend ist, soll mit einem enormen bürokratischen Aufwand eine Vielzahl von Standardprozessen für jede Patient*in gesondert dokumentiert werden“, kritisiert BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke.
Hinzu kommen voraussichtlich neun weitere Qualitätsindikatoren auf Basis der Patientenbefragung, deren Überarbeitung derzeit noch im G-BA beraten wird. „Der vorliegende Fragebogen erfüllt wichtige wissenschaftliche Standards nicht und wurde von zahlreichen Expert*innen umfassend kritisiert, ohne dass bislang eine Besserung in Sicht ist“, ergänzt Melcop. Zudem sollen den Praxen die Ergebnisse der Patientenbefragung lediglich anonymisiert und zusammengefasst über all jene Patient*innen zurückgemeldet werden, die in einem Zwei-Jahres-Zeitraum ihre Therapie beendet haben. Die in der Psychotherapie behandelten Patient*innen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer Erkrankungen, des Schweregrades und der Chronizität, der resultierenden Einschränkungen und schließlich der Behandlungsdauer und Behandlungsverfahren viel zu stark, als dass sie in einem einheitlichen QS-Verfahren sinnvoll zusammengefasst werden könnten. „Belastbare Qualitätsaussagen und gezielte Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung werden sich daraus für die einzelnen Praxen nicht ableiten lassen“, betont Dr. Melcop.
Der Richtlinienbeschluss wird nun vom Bundesministerium für Gesundheit rechtlich geprüft. Wird die Richtlinie nicht beanstandet, tritt sie in Kraft. Das Antrags- und Gutachterverfahren, das laut Gesetz durch das neue QS-Verfahren abgelöst werden soll, bleibt während der sechsjährigen Erprobung weiterhin bestehen. Die ambulante Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ist von der Erprobung des QS-Verfahrens ausgenommen.
Veröffentlicht am 23. Januar 2024