Keine Abschiebung bei Krankheit!
Positionspapier: Anerkennung ärztlicher & psychotherapeutischer Expertise
Ein Bündnis aus sechs Verbänden der psychotherapeutischen, psychiatrischen und psychosozialen Versorgung, darunter die Bundespsychotherapeutenkammer, fordert den Gesetzgeber in einem Positionspapier auf, die Anerkennung ärztlicher und psychotherapeutischer Expertise in asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren wiederherzustellen und die erhöhten Nachweispflichten zurückzunehmen.
»Wenn eine Geflüchtete* schwer traumatisiert ist, eine Abschiebung den psychischen Gesundheitszustand weiter verschlechtern würde oder sogar die Gefahr besteht, dass die Person aufgrund ihrer psychischen Erkrankung Suizid begeht, muss die Geflüchtete* geschützt werden. Dass psychotherapeutische Gutachten in Asylverfahren nicht mehr anerkannt werden, ist Schikane und erschwert Geflüchteten mit psychischen Erkrankungen, ihr Recht auf Schutz wahrzunehmen“, erklärt Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).
Geflüchtete Menschen tragen derzeit die Beweislast, wenn es um den Nachweis von Erkrankungen im Asylverfahren geht. Sie verfügen in der Regel jedoch nicht über die Ressourcen oder den Zugang zu Fachkräften, um solche Stellungnahmen in Auftrag zu geben. Keine andere Personengruppe treffen derart hohe Anforderungen beim Nachweis von Erkrankungen, die im Zuge der gesetzlichen Verschärfungen im Asylrecht in den Jahren 2016 und 2019 noch erhöht wurden.
Aus diesem Grund fordern die Verbände:
- Die Ermittlungspflicht muss bei den Behörden liegen;
- Die Kosten für die anspruchsvollen Nachweise müssen von den zur Ermittlung verpflichteten Behörden getragen werden;
- Stellungnahmen Psychologischer Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen müssen wieder berücksichtigt werden.
Damit eine Bescheinigung im Asylverfahren als qualifiziert gilt, muss sie nicht nur die Krankheitsvorgeschichte, die Untersuchungsmethoden und die Diagnose enthalten, sondern auch die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben.
Viele Behandler*innen können aus Kapazitätsgründen keine derart umfangreichen Stellungnahmen erstellen. Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen, die mit der Versorgung von Geflüchteten in Berührung kommen, sind zudem regelmäßig mit dem Problem konfrontiert, dass ihre Expertise in der Beurteilung von Erkrankungen von Behörden oder Verwaltungsgerichten nicht berücksichtigt werden.
Im Bereich psychischer Erkrankungen wie der Posttraumatischen Belastungsstörung werden Atteste von Psychologischen Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen ohne Anführung fachlicher Gründe seit 2019 nicht mehr berücksichtigt. Infolgedessen bleibt es dem Zufall überlassen, ob Menschen eine fachärztliche Bescheinigung rechtzeitig einreichen können. Traumatisierten Menschen, die Sicherheit und Schutz in Deutschland suchen, droht die Abschiebung trotz Krankheit und Schutzbedarf.
Downloads
- Pressemitteilung der BPtK: Keine Abschiebung bei Krankheit! Positionspapier: Anerkennung ärztlicher & psychotherapeutischer Expertise
0.2 MB
- Positionspapier: Sicherstellung der Rechte von Schutzsuchenden und Berücksichtigung der Versorgungslage. Anerkennung ärztlicher und psychotherapeutischer Expertise in asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren
8.8 MB
Veröffentlicht am 20. Juni 2023